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WORKSHOP S1: "INSOLVENZVERFAHREN UND SCHULDNERBERATUNG – MIT ODER OHNE GERICHTE?" - Helga Springeneer (vzbv)
Thesenpapier und Präsentation sind hierunter als Anhänge

HELGA SPRINGENEER (VERBRAUCHERZENTRALE BUNDESVERBAND E.V.) ZUM WORKSHOP S1 „INSOLVENZVERFAHREN UND SCHULDNERBERATUNG – MIT ODER OHNE GERICHTE?“

(1) Der GESETZESENTWURF zur Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens vom Januar
2007 ist geprägt von einem irrigen Verständnis über
- die notwendigen Arbeiten der geeigneten Stellen auch und gerade in masselosen Fällen;
- den Input der Gerichtsvollzieher für die Klärung der Vermögensverhältnisse
masseloser Schuldner;
- den Beitrag einer amtswegigen Versagung für die „Aufrechterhaltung der Moral im Insolvenzverfahren“.
Bislang klare Rollen einzelner Verfahrensbeteiligter verlieren an Kontur.

(2) Der ENTWURF RISKIERT DAMIT,
- die geeigneten Stellen in masselosen Fällen zu „Stempel-Fabriken“ zu degradieren;
- den Anwälten, die schon heute mit kommerziellen Finanzsanierern zum Nachteil
von Schuldnern kooperieren, eine breitere Aktionsplattform zu geben;
- die Insolvenzgerichte damit zu belasten,
* lückenhafte außergerichtliche Vorarbeiten durch eigene Recherchen
oder teure Gutachten zu kompensieren und
* die Verfahrensrechte der Gläubiger wahrzunehmen.

(3) Der Gesetzesentwurf deckt aber – unbewusst – auch die seit 1999 bestehende
Schwäche in der öffentlichen Finanzierung der gemeinnützigen Schuldnerberatung auf:
Sie ist in den meisten Bundesländern zu eng an die Durchführung des Insolvenzverfahrens
gekoppelt. Das Insolvenzverfahren ist aber, zu Recht, nur ultima ratio. Der enge
Horizont „Insolvenz“ darf nicht Leitlinie der Grundfinanzierung sein.

(4) NUR „NOT FOR PROFIT-BERATUNGSSTELLEN“ DÜRFEN „GEEIGNETE STELLEN“ SEIN. Den
„Geschäften mit der Armut“ muss Einhalt geboten werden. Kontraproduktiv ist in diesem
Zusammenhang das geplante Rechtsdienstleistungsgesetz (In der Fassung der BT-Drs. 16/3655). Es erleichtert die bislang nach dem Rechtsberatungsgesetz verbotenen Geschäftspraktiken kommerzieller Finanzsanierer. Selbst wenn diese Geschäftspraktiken dauerhaft gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen, sieht der Gesetzesentwurf keine Sanktions-möglichkeit vor. Richtig absurd wird es noch dadurch, dass der Entwurf bei den „öffentlichen“ Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen strengere Maßstäbe ansetzt. Ihnen sind Rechtsdienstleistungen nur gestattet, wenn sie über eine landesrechtliche Anerkennung nach § 305 InsO verfügen oder zu den in § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 des Gesetzesentwurfs genannten Trägern gehören (Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände). Im letzteren Fall müssen sie eine gewisse Beratungsinfrastruktur und den Zugriff auf juristisches Know how nachweisen, andernfalls droht ihnen die Untersagung nach § 9 des Gesetzesentwurfs.

(5) DAS INSOLVENZVERFAHREN IST MIT ZU VIELEN FALSCHEN ERWARTUNGEN ÜBERFRACHTET:
- Es sei der Königsweg aus der Überschuldung.
- Es müsse ein Instrument der Überschuldungs- oder gar Armutsprävention sein.
- Es müsse rehabilitative Elemente integrieren.

(6) NUR EIN GERINGER PROZENTSATZ DER ÜBERSCHULDETEN PRIVATHAUSHALTE HAT SICH FÜR DAS INSOLVENZVERFAHREN ENTSCHIEDEN, nämlich gerade mal 9 % (Bezogen auf die vom Statistischen Bundesamt am 07.05.2007 bis einschließlich Februar 2007 veröffentlichten Insolvenzverfahren von Verbrauchern und die im Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung veröffentlichte Zahl von 3,13 Mio. überschuldeter Privathaushalte. Da zu berücksichtigen ist, dass Ehepaare gegebenenfalls getrennt das Insolvenzverfahren betreiben müssen, sind aus den 9 % noch derlei „Doppelverfahren“ heraus zu rechnen). Die Debatte um Wege aus der Überschuldung darf daher nicht schon bei der Frage nach dem geeigneten „gerichtlichen Entschuldungsverfahren“ halt machen.

(7) AKTIV GEHEN WIR ÜBERSCHULDUNG ZUR ZEIT NUR „AN DEN BEIDEN ENDEN DER
WURST“ AN: An dem einen Ende debattieren wir (seit 2002!) über den insolvenzrechtlichen
Weg aus der Überschuldung. An dem anderen Ende dilettieren wir in Sachen
finanzieller Bildung (möglichst schon postnatal mit Hilfe der Kindergärtnerin) als Allheilmittel
zur Überschuldungsprävention. Andere wichtige Ansatzpunkte zwischen
diesen beiden Wurstenden für eine Krisenintervention und Stabilisierung ohne
Überschuldung vernachlässigen wir hingegen.

(8) Ein MITTEL DER ÜBERSCHULDUNGSPRÄVENTION IST AUCH DIE (VORVERTRAGLICHE) UNABHÄNGIGE
KREDITBERATUNG. Präventiv wirkt des weiteren vor allem RECHTSPRECHUNG,
die Kreditvertragsklauseln und Kreditkonditionen verbraucherschutzgerecht auslegt.
- „Risikoadjustierte Kreditpreise“ und intransparente Scoring-Verfahren erschweren
aber die Kreditberatung, denn Konditionenvergleiche sind kaum möglich.
- Die InsO hat leider einen gewissen Pragmatismus befördert, rechtlich zweifelhafte
Kreditforderungen weniger den Prozessgerichten zur Prüfung vorzulegen,
sondern sie dem „Schicksal des Endes der Wohlverhaltensperiode“ zu überlassen.

(9) ZUR ÜBERSCHULDUNGSPRÄVENTION GEHÖREN AUCH FINANZPRODUKTE MIT ANGEMESSENER
RISIKOSTREUUNG.
- Ist es angemessen, für die Absicherung der Rückzahlung eines Verbraucherkredits
über beispielsweise 10.000 Euro (a) einen risikoadjustierten Zins zu verlangen, der meist deutlich höher liegt als der beworbene Zins, und (b) auf den Abschluss einer kreditfinanzierten Kreditausfallversicherung zu drängen, deren Kosten häufig intransparent bleiben, und (c) den Kreditnehmer standardmäßig eine Lohnvorausabtretung unterzeichnen zu lassen?
- Sind Kreditkonzentrationen bei einem Geldgeber anzustreben oder sind Umschuldungen
auf einen Gläubiger kontraproduktiv?
- Sind hohe Kontoführungsgebühren für Konten ohne Überziehungsmöglichkeit
„risikoadjustiert“?

ID: 39740
Autor(en): iff
Erscheinungsdatum: 12.05.07
   
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Erzeugt: 16.05.07. Letzte Änderung: 21.05.07.
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