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WORKSHOP S1: "INSOLVENZVERFAHREN UND SCHULDNERBERATUNG – MIT ODER OHNE GERICHTE?" - Prof. Dr. Wolfhard Kohte (Universität Halle)
Thesenpapier

ÄNDERUNGEN IM DEUTSCHEN KONTENPFÄNDUNGSRECHT ERFORDERLICH

1. Die Kontenpfändung hat sich von einer exotischen Zugriffsform, die nur von Insidern genutzt wurde, zu einem der wichtigsten Vollstreckungsinstrumente entwickelt. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als eine Millionen Kontenpfändungen im Jahr ausgebracht werden. Die betroffenen Schuldner werden bereits durch die Androhung in eine Drucksituation gebracht, weil es heute schwer fällt, den Alltag ohne Nutzung eines Girokontos zu bewältigen.

2. Diese Drucksituation wird wesentlich vertieft durch die Komplexität und mangelnde Transparenz der Rechtsschutzmöglichkeiten die sich Schuldnern bieten. Für den Zugriff auf Arbeitseinkommen, das auf das Konto transferiert wird, bietet § 850 k abgestufte Schutzmodelle, deren Systematik sich nur wenigen Experten erschlossen hat. Daneben enthält § 55 SGB I klarer strukturierte Schutzregeln für die Fälle, in denen Sozialleistung au f das Konto überwiesen werden. Gleichwohl sind auch hier wichtige Praxisfragen erst nach dreißig Jahren durch den BGH in akzeptabler Weise geklärte worden (BGH VuR 2007, 85, m. Anm. Kohte/Busch).

3. Eine Ursache ist darin zu finden, dass 1978 die Kontenpfändung als einmaliger und punktueller Zugriff verstanden wurde; seit einer Rechtsprechungsänderung im Jahr 1981 kann die Kontenpfändung die Form einer Dauerpfändung annehmen. Es ist daher ein wichtiges Element jeder Reform des Kontenpfändungsrechts, diesen Rentengleichen Zugriff zu beseitigen bzw. ihn auf einen überschaubaren Zeitpunkt zu begrenzen.

4. In den bisherigen Gesetzgebungsverfahren zum Kontenpfändungsrecht haben die Banken, die in solchen Fällen die Rolle des Drittschuldners einnehmen, ihre Interessen nachhaltig zur Geltung gebracht. Aus meiner Sicht sollte auch in Zukunft keine automatische Gleichstellung zwischen Bank und Arbeitgeber erfolgen. Knüpft man Schutzvorschriften, wie z.B. die sinngemäße Anwendung von § 850 c ZPO direkt an den Status des Kreditinstitutes als Drittschuldner, dann wäre es auch konsequent der Bank dieselben Informationsrechte wie dem Arbeitgeber einzuräumen, der bisher mit Hilfe der Lohnsteuerkarte auch einen gewissen Überblick über die persönlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer hat. Das ist bereits im Arbeitsrecht nicht unproblematisch, für das Bankrecht jedoch keine sinnvolle Option.

5. Aus dieser Interessenlage ergibt sich als zentraler Baustein einer Neuregelung die Konstruktion eines unpfändbaren Sockelbetrages auf dem Konto, der sich an der für alle gleichen Summe von 990 € nach § 850 c ZPO orientiert. Ein solcher garantiert unpfändbarer Betrag muss auch einen effektiven Schutz in der Insolvenz sowie gegen Verrechnungen ermöglichen. Aufstockungen dieses Betrages, die sich an höherem Einkommen nach § 850 c Abs. 2 ZPO oder an der Existenz von Unterhaltspflichten orientieren müssen möglich sein, sollten jedoch für den Schuldner optional sein.

6. Diese beiden Elemente werden durch den Entwurf des Bundesjustizministeriums vom Januar 2007 aufgegriffen; dies ist sinnvoll und verdient insoweit Unterstützung. Dagegen ist der Entwurf deutlich defizitär bei der Gestaltung von Oder-Konten, weil auch nach diesem Entwurf ein Zugriff des pfändenden Gläubigers auf Einkommenselemente des zweiten Kontoinhabers nicht ausgeschlossen ist. Dies muss im Gesetzgebungsverfahren korrigiert werden. Genauso ist dieses Gesetzgebungsverfahren eine Chance, Lücken im Pfändungsschutz einmaliger Sozialleistungen sowie bei sonstigen Vergütung (§ 850 i ZPO), vor allem Sozialplan- und Kündigungsschutzabfindungen zu schließen.

7. Die bisher normierten Fristen sind zu kurz und erschweren ohne hinreichen Grund die Rechtsberatung und -realisierung von Schuldner. Folgerichtig sind sowohl die Frist in § 55 SGB I als auch in § 835 Abs. 3 S. 2 ZPO deutlich zu verlängern.

8. Besonders schwach ist der Entwurf bei der Formulierung von Rechten, die den Schuldnern als Inhabern von Girokonten gegen die Kreditinstitute zustehen. Zu begrüßen ist es zwar, dass eine Umwandlung des bisherigen Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto vorgesehen ist, doch muss sichergestellt werden, dass zumindest bei bestehenden Giroverträgen diese Umwandlung allein durch eine Gestaltungserklärung des Kunden erfolgt. Vor allem fehlen klare Verbote benachteiligender Preisgestaltungen, mit denen die Schuldner letztlich den Pfändungsschutz selbst finanzieren müssen. Dies widerspricht der Systematik des Verbraucherrechts und sollte durch ein Benachteiligungsverbot bei der Umwandlung abgesichert werden..

9. Eine Pfändung des auf das Konto überwiesenen Arbeitsentgeltes darf nicht zu zusätzlichen Kosten der Schuldner führen. Es handelt sich um ein typisches Risiko, das dem Drittschuldner zugewiesen ist. Die Grundsatzentscheidung BGH NJW 1999, 2276 (ebenso BGH NJW 2000, 651) ist in der Gesetzgebung zu bekräftigen und nicht auszuhöhlen. Dies gilt auch für Arbeitgeber, die nach der neuesten Judikatur des BAG (BAG 18.07.2006 - 1 AZR 578/05 - NJW 2007, 1302) die Kosten der Pfändung ebenfalls nicht ohne weiteres abwälzen können.

10. Letztlich ist die jetzt vorgesehene Schaffung eines Pfändungsschutzkontos ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum weiterhin unverzichtbaren diskriminierungsfreien Girokonto für jedermann. Dieser Weg muss bis zum erfolgreichen Abschluss verfolgt werden.

ID: 39739
Autor(en): iff
Erscheinungsdatum: 12.05.07
   
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Erzeugt: 16.05.07. Letzte Änderung: 16.05.07.
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