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WORKSHOP F2: "RESTSCHULDVERSICHERUNG UND PAYMENT PROTECTION INSURANCE - SKANDALE, RISIKEN UND NEUE WEGE" - Arno Gottschalk (Verbraucherzentrale Bremen)
Beispiel: eine Pressemitteilung zu einer Untersuchung der Verbraucherzentralen

KONSUMENTENKREDITE: "BANKEN VERSCHWEIGEN EXTREMZINSEN VON 20, 30 UND MEHR PROZENT"

CITIBANK BESONDERS BETROFFEN - VZBV FORDERT BAFIN ZUM EINSCHREITEN AUF

29.01.2007 - Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat schwere Vorwürfe gegen führende Anbieter von Verbraucherkrediten erhoben. Bei Konsumentenkrediten würden Kunden systematisch zum Abschluss teurer Kreditausfallversicherungen gedrängt. "Die Kopplung von Ratenkrediten und Restschuldversicherungen ist eine neue Form des Kreditwuchers", sagte vzbv-Chefin Edda Müller. "Wir können jetzt belegen: Diese Praxis hat System." Vor allem die Citibank ist betroffen. Der vzbv forderte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf, dieser Kreditvergabepraxis Einhalt zu gebieten.

Die Verbraucherzentralen hatten in den vergangenen Monaten Bankkunden nach ihren Erfahrungen bei der Kreditvergabe befragt: Jetzt legten sie eine Dokumentation mit rund 200 eidesstattlichen Versicherungen vor. Diese belegt: In mehr als der Hälfte der Fälle wurde der Kredit ausdrücklich vom gleichzeitigen Abschluss einer Restschuldversicherung abhängig gemacht. Von diesen Fällen wiederum betrafen 61 Prozent allein die Citibank. Daneben fielen insbesondere die HypoVereinsbank, die frühere Norisbank und die Santander Consumer Bank negativ auf.

KERN DES STREITS: HOHER EFFEKTIVZINS WIRD VERSCHWIEGEN

Kern der Auseinandersetzung zwischen Banken und Verbraucherzentralen ist die Frage, ob der Kreditvertrag an den Abschluss einer Restschuldversicherung gekoppelt ist. Die Banken bestreiten dies - in diesem Fall wären sie nämlich verpflichtet, die Versicherungskosten, die oft mehrere Tausend Euro betragen, in den Effektivzins einzurechnen. Damit aber würde offensichtlich, dass die Kredite extrem teuer sind und ihre effektive Kostenbelastung pro Jahr bei mehr als 20, 30 oder mitunter sogar 40 Prozent liegt. Genau dies aber tun sie nicht und handeln damit rechtswidrig.

Die jetzt vorgelegte Falldokumentation ist auch für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) heikel, denn sie muss die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften bei den Banken überwachen. Die BaFin hatte den Banken bisher geglaubt - zu Unrecht, wie sich nun zeigt: "Die Missstände sind insgesamt weitaus gravierender, als sie von Ihrem Hause bislang wahrgenommen werden", heißt es in einem Schreiben von vzbv-Vorstand Edda Müller an BaFin-Präsident Jochen Sanio.

Wie die Untersuchung der Verbraucherzentralen belegt, wurde fast allen Verbrauchern die Restschuldversicherung als quasi automatischer Teil des Kreditvertrags verkauft: 94 Prozent der Antwortenden gaben an, ihnen sei kein Kreditangebot ohne Restschuldversicherung unterbreitet worden. 95 Prozent sagten aus, es sei ihnen nicht gesagt worden, dass der Abschluss der Restschuldversicherung keine Voraussetzung der Kreditvergabe sei. Auch in den Fällen, in denen es die Bank nicht ausdrücklich verlangte, glaubten daher die meisten Kreditnehmer, sie müssten die Versicherung abschließen.

Nicht ein einziger Kreditnehmer wurde von seiner Bank darüber aufgeklärt, dass der angegebene Effektivzins die Kosten der Restschuldversicherung nicht enthält.

TEURE VERSICHERUNGEN: IN VIELEN FÄLLEN ÜBERFLÜSSIG

In vielen Fällen verkauften die Banken die teuren Versicherungen auch dann, wenn es für die Kunden bessere Formen der Kreditabsicherung gegeben hätte: Obwohl 41 Prozent bereits eine Lebensversicherung besaßen, kam es dennoch zum Abschluss der Restschuldversicherung.

"Die BaFin muss dringend handeln", forderte vzbv-Chefin Edda Müller deshalb bei der Vorstellung der Ergebnisse. "Von einer verantwortlichen Kreditvergabe kann in vielen Fällen keine Rede sein: Überteuerte Restschuldversicherungen werden selbst dann verkauft, wenn sie nicht benötigt werden oder die Kosten in krassem Missverhältnis zu den Leistungen stehen und eine sittenwidrige Höhe erreichen."

vzbv-Chefin Edda Müller rief die BaFin außerdem auf, eine Entschädigung der geschädigten Verbraucher durchzusetzen. "In Zigtausenden Fällen wurden Bankkunden durch aufgezwängte überteuerte Restschuldversicherungen finanziell geschädigt - in den meisten Fällen tragen die Betroffenen noch heute an Belastungen, weil die Kredite noch laufen."

SO FUNKTIONIEREN RESTSCHULDVERSICHERUNGEN:

Restschuldversicherungen sind eine Form der Kreditsicherung. Sie sichern das Risiko ab, dass der Kreditnehmer seine Raten nicht mehr bezahlen kann - wegen Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Todesfall. Für Kreditnehmer ist es meist günstiger, das Ausfallrisiko mit einer bestehenden Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abzusichern.

RESTSCHULDVERSICHERUNGEN: HOHE KOSTEN, TEURE PROVISIONEN

>>> TEURE KREDITE
Die Einmalbeiträge für die Restschuldversicherungen betragen häufig mehr als ein Drittel des Nettokreditbetrages und belaufen sich auf mehrere Tausend Euro, zum Teil sogar auf bis zu 20.000 Euro. Diese Einmalbeiträge werden regelmäßig über eine Aufstockung des Kredites mitfinanziert. Dies führt dazu, dass die tatsächlichen Kosten der Restschuldversicherungen oft annähernd doppelt so hoch liegen wie die Einmalbeträge selbst. Im Falle eines Kredites von netto 30.000 Euro, der um eine Restschuldversicherungsprämie von 17.315 Euro, aufgestockt wurde, beliefen sich die gesamten Kosten (Restschuldversicherung, Bearbeitungsgebühr und Zinsen) beispielsweise auf 39.642 Euro. Ohne die Restschuldversicherung wären bei gleicher Ratenhöhe demgegenüber nur 7.810 Euro an Kosten angefallen.

Das bedeutet: die Kosten des Kredites wurden in diesem Fall durch die Restschuldversicherung auf gut das Fünffache aufgebläht. Frappierend ist oftmals auch die relative Höhe der RSV-Prämien. In der Spitze betrug der Einmalbeitrag für die Versicherung 9.105 Euro - bei einem Nettokreditbetrag von 9.000 Euro.

>>> HOHE PROVISIONEN
Es muss vermutet werden, dass die Banken für den Vertrieb von Restschuldversicherungen zum Teil sehr hohe Provisionen von den Versicherungsunternehmen erhalten. Wenn die oben genannte Restschuldversicherung mit einer Einmalprämie von 17.315 Euro und einer planmäßigen Laufzeit von sieben Jahren bereits nach einem halben Jahr gekündigt worden wäre, hätte die Versicherung lediglich 6.148 Euro erstattet. 65 Prozent der Einmalprämie sind also bereits nach sechs Monaten "verbraucht", obwohl zu diesem Zeitpunkt erst fünf Prozent des Kredites getilgt sind. Dies legt die Vermutung nahe, dass mehr als die Hälfte der Prämie als Provision an die Bank gezahlt wurde - und sie deshalb "verbraucht" ist.

>>>SITTENWIDRIGKEIT DES DARLEHENSVERTRAGES
Ein Darlehensvertrag ist bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Ein auffälliges Missverhältnis nimmt der BGH in ständiger Rechtsprechung an, wenn der Vertragszins den marktüblichen Zins um 100% relativ oder 12% absolut übersteigt. Bei Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses wird von den Gerichten das - nach § 138 Abs. 1 BGB ebenfalls erforderliche - vorsätzliche oder fahrlässige Ausnutzen einer Notlage des Darlehensnehmers vermutet.

>>> RECHTSFOLGEN DER SITTENWIDRIGKEIT
Ein sittenwidriger Darlehensvertrag ist nichtig und muss gemäß §§ 812 ff BGB rückabgewickelt werden. Der Darlehensgeber hat Anspruch auf Rückzahlung des Darlehensbetrags - jedoch erst zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser bei Gültigkeit des Vertrags zurückzuzahlen wäre. Ein Anspruch auf Zinsen besteht nicht (BGHZ 99, 333). Der Darlehensnehmer kann mit dem ihm zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten aufrechnen.

ID: 39710
Autor(en): iff
Erscheinungsdatum: 11.05.07
   
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Erzeugt: 10.05.07. Letzte Änderung: 10.05.07.
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