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Fakenews: „Bargeld diskriminiert die Armen“ (Süddeutsche Zeitung v. 21.8.2017;6/15)

Unter diesem Titel lässt Andrea Rexer in ihrem Interview „eine der mächtigsten Finanzfrauen … im Vorstand von Mastercard“ ohne kritische Zwischenfragen die Heilsbotschaft der Kreditkartenindustrie verkünden: bargeldlosen Zahlungen gehört die Zukunft mit Kreditkarte und Handy. Arbeitgeber verlangten sie und die Handyindustrie befördere sie zum Wohle der Armen weltweit (und naürlich der Frauen in Afrika in Afrika).

Reden wir vom selben? 1992 schrieb der Vater der Überschuldungsforschung, David Caplovitz über die „Kreditkartenmanie in Amerika“ (Reifner/Ford, Banking for People, S. 119 ff). Er behielt Recht. 16 Jahre später sollte sie zum Auslöser der Finanzkrise werden. Welche Wucherformen mit dieser ungeschützten Zahlungsform, die nicht mehr zwischen Kredit und Sparen unterscheidet, verbunden ist, haben wir ausführlich beschrieben. (Reifner, Die Finanzkrise 2017 S. 94-105)

Kreditkarten und Wucher

Bei Kreditkartenkrediten zahlt man die höchsten Zinsen, werden sie hemmungslos in zinstragendes Kapital verwandelt, entfällt der gesetzliche Verbraucherschutz bei Kreditabhebung, wird mit Kartengewirr und Nummernmissbrauch auf dem Internet betrogen, in Fallen gelockt und das auf die Spitze getrieben, was Caplovitz  „improvident credit extension“ (unverantwortliche Kreditvergabe) nannte. Da hilft auch der Verweis auf die angeblich erfolgreichen Handy-Bezahlsysteme in Afrika nicht. Frau Cairns hat vergessen, dass die Bauern dafür teuer bezahlen müssen. In Indien und Bangladesh hat die unheilige Allianz der Großbanken mit der Handyindustrie und der philantropischen Microlending-Bewegung die letzten Spargroschen abgeschöpft. (dazu Reifner, Das Geld 2, 2017 S. 179 ff)

Die Freiheit des Bargeldes

Kreditkarten sind ein Produkt der Finanzindustrie. Sie diktiert die Konditionen und beutet nach der marktwirtschaftlichen Regel die Schwächsten aus. Sind sie überschuldet, zahlungsunfähig auf die Karte angewiesen, so akzeptieren sie alles, bis ihnen dann doch die Karte entzogen und über die SCHUFA verweigert wird. 4 Jahre Verbannung aus dem Zahlungsverkehr folgen.

Bargeld ist freier. Es ist diskriminierungsfrei und wird staatlich überwacht. Ob arm oder reich, der 10 € Schein kann niemandem aus prinzipiellen Gründen verweigert werden. Niemand darf ihn als Zahlungsmittel zurückweisen. Das war eines der großen Versprechen des Kapitalismus: im Geld sind alle gleich. Daran muss man inzwischen die Finanzapitalisten erinnern.

Die Kreditkartenindustrie sieht das nämlich anders. Sie hat die Kreditunwürdigen und die Gewinnträchtigen erfunden. Teilhabe ist Kalkül. Wo Gewinne winken ist Diskriminierung Menschenrecht. Die Armen zahlen mehr hieß der Titel von David Caplovitz Buch über Ratenkredite 1963 in New York, dessen Ergebnisse er 1991 auf den Kreditkartenmarkt übertrug.

Bargeld hat Grenzen

Bargeld ist allerdings teuer. Freiheit ist aber auch kostbar, soll es nicht allein die Freiheit von MasterCard werden. Doch es diese Freiheit verwandelt sich, wo es um viel Geld geht. Schon heute muss wer mehr als 10.000 € in bar zahlt, sich gegen den Verdacht der Geldwäsche legitimieren. Geldfreiheit und Geldgeheimnis bieten nicht nur Schutz vor Diskriminierung, sondern auch Schutz vor Steuer- und Strafgesetzen.

Ein bargeldloses Zahlungsverkehrssystem, das nicht diskriminiert und wuchert  und doch die Kriminalität bekämpft ist daher denkbar und nötig, allerdings wohl eher ohne MasterCard, Visa, Diners und American Express, die uns genug Kostproben gegeben haben. Ein solches System dürfte nicht gesetzlich privilegiert sein, sondern müsste eng geregelt und überwacht werden. Schon heute erklärt sich nicht, warum die EZB für dieses (Giral)Geld nicht zuständig ist.

Zu solchen Konzepten statt zum unter Frauenfreundlichkeit verstecktem Industriemarketing wäre ein Interview anregend. Da käme dann aber kaum noch eine ehemalige Ölmanagerin infrage, die die soziale Realität ihrer Produkte nicht kennt. Dafür gäbe es bei der SZ hätte sogar einen Redakteur, den wir bei Finanzdienstleistungen seit längerem schmerzlich vermissen. Er heißt Thomas Öchsner und wurde einmal mit dem Verbraucherpreis dekoriert. (Udo Reifner)

Erscheinungsdatum: 21.08.17
   
URL(s):

SZ Artikel
 

Erzeugt: 21.08.17. Letzte Änderung: 22.08.17.
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