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St Pauli goes Brazil – Crowdfunding für Entwicklungshilfe mit einer Kinokarte

Crowdfunding  ist die neue Form einer demokratischen Finanzierung von öffentlichen Aufgaben, die vorbei an den Kartellen der Wissenschaftsförderung, ohne den Zwang der Staats- und Kirchensteuern und ohne den Populismus und die Bürokratie der Spendeneintreiber den eigentlichen Unternehmern die Chance verleiht, sich in der Öffentlichkeit unmittelbar zu beweisen. Der Bürger zahlt, wenn er überzeugt wurde, das Geld fließt zurück, falls die Crowd nicht zusammenkommt. Anders als im Microlending und im Spendenwesen wird wieder eine unmittelbare Beziehung zwischen Sparer und Investor hergestellt.

Das folgende Beispiel zeigt ein Entwicklungshilfeprojekt anderer Art, das u.a. auch mit ihrer Hilfe eine breite Ausstrahlung für alle Formen der Armutsbekämpfung und Jugendförderung haben könnte.
 

St. Pauli goes Brazil: vor der Fußballweltmeisterschaft

Das St Pauli Kammerorchester Hamburg hat unter seiner brasilianischen Leitung ein einzigartiges Experiment in Curitiba in Süd-Brasilien gestartet. Kinder aus einer Favela werden dort schon länger in einer Ganztagsbetreuung musikalisch von Lehrern der dortigen Musikschule im Singen und Flöten unterrichtet. Geprobt werden klassische Werke ebenso wie Samba-Rhythmen sowie Lieder wie das „Fass mich nicht an“-Lied, das gegen den Kindermissbrauch in den Favelas impfen möchte. Die Kindertagesstätte kümmert sich auch um die Mütter, gibt ihnen Arbeit und vermittelt Rat. Bei unserem Streifzug mit den Kindern, ihrem Fußball und den Müttern durch die Favela konnte man den Optimismus, den diese Kooperation ausstrahlt, spüren.
 

Kinder aus Favelas im Bachensemble St. Pauli - Dorcas

In dieses Projekt waren nun nach zweijähriger Vorbereitung 100 Chor- und Orchestermitglieder aus Hamburg St. Pauli zu Gast. Im Rahmen des deutschen Jahrs in Brasilien wurden sechs Konzerte in fünf Städten Süd-Brasiliens gegeben, die alle ausverkauft bzw. bei den eintrittsfreien Kirchen überfüllt waren. Teile der Konzerteinnahmen sowie eine Sammlung im Ensemble kamen den Kindern zugute. Insofern war es noch ein durchaus traditionelles Spendenprojekt, bei dem die Reichen den Armen Geld geben und meinen, dass damit der wirtschaftliche Selbsterhalt gesichert werden könnte. (Meist finanziert man damit Strohfeuer, schafft eine Geberorientierung und greift in die lokalen Mechanismen ökonomischer und politischer Entwicklung ein.)   

Die eigentliche Entwicklungshilfe zur Erhaltung des erfolgreichen Projekts, dessen Staatszuschüsse gerade wie so oft gerade dem Rotstift geopfert worden sind, war aber ganz anderer Art. Einen ganzen Tag verbrachte Chor und Orchester aus Hamburg zusammen neben der Favela auf dem Barackengelände der Tagesstätte. Es wurden Kanons geprobt und gesungen, Deutsche lernten Samba-Lieder singen und klatschen, die Kinder tanzten vor, machten akrobatische Stücke, wurden zum skandinavischen Volkstanz geführt und spielten Fußball. Doch der Ziel war das Konzert in der überfüllten lutherischen Kirche von Curitiba (2 Mio. Einwohner), in der die Kinder das halbe Programm alleine und den anderen Teil mit den 100 Leuten aus Hamburg bestritten. Höhepunkt war Johann Sebastian Bachs Ohrwurm Jesus bleibet  meine  Freude, indem die Kinder zuerst den Choral allein mit dem nur noch flüsternden Orchester sangen bevor 130 Menschen dann gemeinsam den zweiten Teil intonierten. Geübt hatten die Kinder monatelang mit einem phonetisch an die Wand gekritzelten Brasilien-Deutsch Worte und Melodie des Chorals. Dazu die Einlage eines kleinen Jungen, der mit Orchestermusikern ein barockes Konzert auf der Flöte spielte. Er hatte gerade ein Musikstipendium gewonnen. Zeit war dann auch, um in Lichtbildern das Projekt den Brasilianern in Curitiba vorzustellen. Die Presse berichtete groß darüber.
 

Kinder als Konzertgäste im Requiem von Johannes Brahms

Nach der dann folgenden Konzertreise über Meretes und Blumenau kamen Chor und Orchester zu ihrem eigentlichen Konzert im katholischen Dom von Curitiba zurück. Wieder reichten die Sitzplätze nicht und in der ersten Reihe saßen zur Überraschung die Kinder aus Dorcas und strahlten. Sie waren allein mit dem Bus gekommen. Das Deutsche Requiem von Brahms über eine Stunde zu hören war für sie keine Anstrengung mehr. Sie fühlten sich als Teil der Aufführung.

St. Pauli hat Dorcas in Brasilien bekannter gemacht, das Geld für die nächsten 12 Monate der Fortführung erspielt, sich in ein örtliches Projekt eingepasst, die lokale Unterstützung gefördert und gefordert, den Kindern Stolz und Lampenfieber vermittelt und dabei auf die übliche Fremdbestimmung durch eigene Ideen, ausgeliehene Lehrer, Dirigenten, Kleinkredite, Banker etc. verzichtet. Ein brasilianisches Pflänzchen wurde ganz ohne Almosen so gegossen, wie es dort wuchs und das Gießen machte den Hamburgern mindestens so viel Freude wie den Kindern – abgesehen von dem frenetischen Beispiel für die dies kuriose Mischung.
 

Man kann es miterleben – es wurde gefilmt

Das Ganze wurde von einem jungen Filmteam begleitet, die mit brasilianischen Kameraleuten auf eigene Kosten mitfuhren und früher eingetroffen noch mehr Zeit dem Kinderprojekt widmeten. Herausgekommen sind einige Kilometer Film, Interviews und Atmosphäre, die geschnitten und präsentationsreif gemacht werden müssen. Filmförderung war hierfür nicht zu erhalten. (Hier der Link für  ihre Spende und den Werbefilm) Die Filmer haben eine Crowd-Funding Initiative gestartet. Es geht um 30.000 €. Davon sind 8.000 schon da. In 8 Tagen soll es abgeschlossen werden. Klappt es nicht, geht das Geld an die Spender zurück. Es lohnt sich wohl, diesen Film anzuschauen und über Entwicklungshilfe nachzudenken. Die Kinokarte von 15 € dafür kann man im Voraus als Spende kaufen.
 

Entwicklungshilfe – einmal wörtlich genommen

Entwicklungshilfe ist bisher auf das Geld zentriert. Nachdem man mit Geldgeschenken und Regierungskrediten viele Länder korrumpiert und auf unsere Exportgüter festgelegt und ruiniert hat, ist der letzte Schrei  jetzt der Kleinkredit an Existenzgründer, der nichts mehr kostet, mit erhobenem Zeigefinger Rückzahlung verlangt und nach unseren Forschungen dort zerstört, wo wir ihn wie in Indien noch loswerden. Daneben floriert die Mitleidshilfe, bei denen Kopfgelder für Kinder in der Dritten Welt die Mechanismen lokaler Ökonomie zerstören. Aber auch andere Bevormundungen wie vermietete Kühe in Madagaskar und die Unzahl überflüssiger Wirtschaftsberater in Afrika oder Indonesien vergessen, wie wir uns selbst im 19. Jahrhundert aus der Agrargesellschaft entwickelten: mit der Sammlung von Sparbeiträgen in Raiffeisen- und Sparkassen und deren Belohnung durch Zinsen und Verteilung als Investitionen und zwar ohne Einmischung von außen.

Simon Rattle’s Konzert und Ballett-Versuch mit Kindern aus Berliner Problemgebieten und den Berliner Philharmonikern war als Film unter dem Titel “Rythm is it“ ein riesiger Erfolg. Warum? Er gab den Kindern Würde, zeigte ihre Fähigkeiten und stärkte ihren Glauben an sich selber. Die Zuhörer und Zuschauer liebten den Mix aus Star und Kind, aus Klassik und Masse. Doch dieses Projekt ist so nicht exportierbar. So viele Rattles und Philharmoniker kann keiner bezahlen. Das brasilianische St. Pauli Experiment dagegen brauchte nur ein einziges Huckepack-Konzert von Laienmusikern aus Hamburg, die nebenbei auch noch als Kulturbotschafter normales Publikum in vier anderen Städten begeistern konnten und selber die meiste Freude (siehe die Berichte) an der zu 90% selbstfinanzierten Reise hatten. (Hamburger Unternehmen hatten sich beim Sponsoring vornehm zurück gehalten, so dass die 10% Fremdfinanzierung vor allem vom Goethe-Institut kamen.)
 

Finanzieren Sie den Film mit ihrer Kinokarte – wir diskutieren mit Ihnen über Entwicklungshilfe

Der Film muss gezeigt werden. Wir brauchen eine Diskussion über Crowdfunding, Entwicklungshilfe und unsere Kartelle der Gemeinnützigkeit. Vielleicht können die Initiatoren, wenn genug Geld zusammenkommt, zur Premiere die Musiklehrer und einige Kinder aus Brasilien einladen, damit mehr Kompetenz der Bevölkerung in Deutschland für die Entwicklungshilfe entsteht. Das iff, das Anfang dieses Jahrhunderts im öffentlichen Auftrag das Microlending erforschte, nachdem es bereits die Möglichkeiten des social banking bei der Armutsbekämpfung für die EU aufgeführt hat, hat sich von den finanzierten Almosen gelöst. Man sollte den Filmemachern zeigen, dass sich ihre Sachinvestition lohnt und unser Geld ihnen das Risiko abnimmt. (Udo Reifner)



ID: 48499
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 12.04.14
   
URL(s):

Startnext Crowdfunding StPauligoesBrazil
 

Erzeugt: 12.04.14. Letzte Änderung: 12.04.14.
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