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Öffentliche Kontrolle über öffentliche Zinssätze – Forderungen des iff zum Libor Skandal in der Sendung PlusMinus vom 11.09.2013

Der Direktor des iff hat in der Sendung von PlusMinus vom 11.09.2013 aus Anlass der Manipulationsvorwürfe beim Libor die Praxis der Banken kritisiert, selber und dabei noch intransparent die Referenzzinssätze und Bewertungen festzulegen, die dann als „objektive“ Werte Grundlage ihrer Finanzgeschäfte und Spekulation sind. Die Versuchung, einen Wert so zu manipulieren, dass zumindest die Geschäfte in der eigenen Abteilung ertragreicher werden, wenn man z.B. auf den Libor wettet und den zukünftigen Kurs im Ansatz schon kennt, ist so übermächtig, dass allein ein Bekenntnis zum undefinierten „Kulturwandel“ in den Banken sowie die Kündigung von ein paar Mitarbeitern („Bauernopfer“) kaum ausreicht, um diese Skandale zu beheben. Wir wollen die Stellungnahme näher erläutern.
 

Die Manipulation – Libor- und Fußballwettskandal

Da ein Kartell der weltweit stärksten 20 Banken an den Manipulationen beteiligt war, ist davon auszugehen, dass sich hier wieder einmal die Stärksten auf Kosten der Schwächeren bereichert haben. Da zudem der Libor der Referenzzinssatz für US-amerikanische Häuslebauer ist, deren Kredite man in den Jahren zwischen 2000 und 2010 in verheerender Weise auf variabel umgestellt hat, ist der Vorwurf auch berechtigt, dass man diese Gewinne wieder einmal auf Kosten der Ärmsten gemacht hat. Wurde z.B. der Libor durch fiktive Verkäufe zu höheren Preisen kurz vor der turnusmäßigen Feststellung durch den dafür bisher zuständigen britischen Bankenverband nach oben manipuliert, so stiegen damit automatisch die variabel abgeschlossenen US-Hypothekenkredite im Zinssatz und die ohnehin in den Ruin getriebenen Verbraucher dort mussten mehr zahlen.

Viel größere Bedeutung aber hat der Libor für die Finanzwetten vor allem die Wetten auf Zinssätze (swaps). Sie betreffen die Zinsveränderungsrisiken von Krediten im Volumen von 350 Billionen Dollar. Gleichwohl ist diese gigantische Zahl irreführend, weil es nur um deren Zinsen und dort auch nur um relativ geringe Schwankungen geht. Der Gesamtschaden durch die Manipulation wird daher auch (nur) auf ca. 8 Mrd. Dollar geschätzt. Umso deprimierender für wie wenig Geld Banken betrügen.

Da wie bei jeder Wette die Gewinne der einen immer auch die Verluste der anderen sind, bereichert man sich dadurch, dass man insgeheim weiß, was morgen passiert, da man es ja selber manipuliert hat, gleichwohl aber mit jemandem wettet, der dies nicht weiß. (Bekannt ist die Aussage Churchills, er glaube nur an Statistiken, die er selber gefälscht habe.) Dies Verhalten ist vergleichbar den Wettskandalen im Fußball, wo Spielverläufe in großem Maßstab gekauft wurden, um damit bei der Fußballwette große Gewinne zu machen. So etwas wird als Betrug bestraft. Im Bankensektor besteht hier nicht einmal ein Unrechtsbewusstsein.

Dabei ist der Mechanismus der Manipulation hier gleich. Während man beim Fußball Ergebnisse bestellt, bestellt man beim Libor Geschäfte in großem Ausmaß, durch die dann die BBA Libor scheinbar arglos und korrekt aus den Meldungen der größten Banken (Trader) sich einen Zinssatz errechnet, der zudem noch statistisch ausgeklügelt erscheint, obwohl die Mathematik nichts erreicht, wo die Basis nicht stimmt.
 

Der Libor ist ein privat erstellter Zinssatz des englischen berüchtigten Bankenverbandes

Der Libor ist ein bisher vom britischen Bankenverband (BBA) mit seiner Firma BBA Libor erstellter Zinssatz, der aus den Meldungen der wichtigsten Banken berechnet wird. Sie geben dabei an, für welchen Zinssatz (Engl. Rate) sie jeweils einer anderen Bank (Inter Bank) für drei Monate englische Pfund (London) anbieten (Offered). Tatsächlich ist es aber wohl noch etwas primitiver. Die Frage lautet: Zu welchem Zinssatz konntest Du vor 11 Uhr morgens ein relevant großes Darlehen von einer anderen Bank erhalten? (“Every contributor bank is asked to base their bbalibor submissions on the following question; ‘At what rate could you borrow funds, were you to do so by asking for and then accepting inter-bank offers in a reasonable market size just prior to 11 am?’” (David M. Ellis PhD LIBOR Manipulation: A Brief Overview of the Debate 20 April 2011)

Das Ganze nennt man dann die London Interbank Offered Rate, kurz Libor. Da die verschiedenen Zinssätze mit dem Umsatzvolumen gewichtet werden und die Banken selber den Umsatz bestimmen, ist er grundsätzlich manipulierbar.

Das weiß natürlich auch die BBA weil z.B. der ehemalige Händler der Morgan-Stanley Bank, Douglas Keenan, dies bereits für 1991 als übliche Praxis ansah.  Doch die BBA ist die Vertretung der Banken und in diesen Vertretungen geben die Größten den Ton an.

Sie rühmt sich auf ihrer Website der Welt wichtigster Bankenrepräsentant zu sein: “We represent more than 240 organisations, including more than 170 banks and 70 Associate member firms. Our member banks make up the world's largest international banking cluster, operating 150 million accounts for UK customers and contributing over £50 billion annually to UK economic growth.”

Der Finanzplatz London ist zudem für seine Wildwest-Struktur mit seinen staatlich genehmigten Außenstellen und Enklaven in den sog. Steuerparadiesen oder „off-shore Finanzplätzen“ berüchtigt. Am bekanntesten ist dabei das rechtsfreie Eldorado der Fonds auf den Caymen Inseln. Man beherrscht diese Flecken zwar innenpolitisch, außenpolitisch aber bremsen sie als scheinbar unabhängige Staaten die Finanzkontrolle, Der liebste Wohnsitz der Steuerungsfirmen des weltweiten Finanznetzes ist daher die Londoner City, zumal in England kaum noch etwas anderes als zumeist fiktive Finanzdienstleistungen produziert werden, von denen das Bruttosozialprodukt entscheidend abhängt. Ob Labour oder Konservative – gegen die Banken dort geht nichts. (keine Wuchergesetzgebung, keine effektive Aufsicht, eigene Währung, off-shore) Ihnen galt auch in der Finanzkrise die für den Staat ruinöseste Rettungsaktion der Welt, die die sozialen Probleme deutlich ansteigen ließ.
 

Was ist seitdem geschehen?

Die Aufdeckung der Skandale kam daher auch aus den USA, wo die Wertpapieraufsicht SEC dann auch die britische Finanzaufsicht FSA  mobilisierte. Die Rädelsführer waren die englischen Banken Barclay  und die nur durch staatliche Übernahme gerettete Royal Bank of Scotland. Dritter im Bunde war die Schweizer UBS. Bußgelder von 360, 455 und 1.200 Mio. Euro sollten die Öffentlichkeit beruhigen. Inzwischen weiß man, dass ca. 20 Banken u.a. eben auch die Deutsche Bank und die ebenfalls vom Staat indirekt über die Abnahme der faulen Kredite in der HRE gerettete HypoVereinsbank darin verstrickt sind. Es ist daher absurd, einzelnen Banken oder gar Mitarbeitern die Schuld zu geben. Auch Bußgeldern lösen das Problem nicht, zumal sie miteinkalkuliert sind und die Banken dafür steuerbegünstigt Rücklagen treffen.

Es geht letztlich um die Struktur der privaten Feststellung eines öffentlichen Wertes, so als ob der Steuersatz für Reiche von der FDP festgesetzt würde. Um das System zu treffen, hätte nun analysiert werden müssen, warum solche Manipulationen überhaupt möglich sind. Im Fußballwettskandal wurde ein internationales Netzwerk aufgedeckt.

Während man also in den USA Bußgelder verhängte, in Deutschland Entlassungen aussprach und ein geheimes Gutachten bei der BAFIN erstellte, gab man in England vor, man habe die BBA Libor in die USA verkauft und wäre nicht mehr zuständig.

Dabei hätte auffallen müssen, dass der Verkauf dieser Goldgrube durch die Herrschaft über das Liborfestsetzungsverfahrens für ein symbolisches Pfund erfolgte ähnlich wie die 1 DM mit der einst ein Bäcker die Neue Heimat übernahm. Viel kann da nicht verkauft worden sein.

Der neue BBA Libor und Herr des Verfahrens ist jetzt die NYSE Euronext Rates Administration. Das klingt nach New York. In der Tat betreibt die NYSE Euronext die New York Stock Exchange, die NYSE Amex (früher American Stock Exchange), die NYSE Arca in Chicago und San Francisco aber auch die Börsen in Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris sowie den Terminmarkt in London (LIFFE) (!).

Doch London kommt noch stärker ins Spiel. Die NYSE Euronext gehört der IntercontinentalExchange kurz ICE. Sie hat sie am 20. Dezember 2012 für 8,2 Milliarden US-Dollar gekauft. Wer ist nun die ICE? Die ICE Futures (die vorher IPE hieß, wobei P für „Petroleum“ (Öl) steht) hat ihren Sitz in London und ist die größte Wettbörse für Optionen und Futures auf Erdöl, Erdgas und elektrische Energie in Europa. Man ist also in London nur über die Straße gezogen und hat zudem die Feststellung noch weiter privatisiert, weil man jetzt sogar noch mit einer Aktienmehrheit allein den Einfluss ausüben kann.
 

Wo liegt das Problem?

Das Problem ist die private Zuständigkeit für öffentliche Aufgaben. Das ist zwar nicht neu, weil fast alle Zentralbanken einmal als mächtige Privatbanken angefangen haben. Doch das System ist dort überholt, wo die Kontrolle versagt.

Was für die Angelsachsen und die internationalen Wettmärkte der Libor ist für Europa ansonsten der Euribor der den früheren FIBOR (F für Frankfurt) für die DM abgelöst hat. Hier sieht es aber auch nicht besser aus. Er wird von Thomson Reuters Corporation festgestellt. Das ist ein Pressekonzern, der einmal aus der Nachrichtenagentur Reuters und der kanadische Thomson Corporation hervorging. Hauptsitz ist New York und nicht Frankfurt. Kontrolliert wird er aber von der kanadischen Familie Thomson, die über ihre Investmentfirma The Woodbridge Company 55% hält. Kanada gehört nun auch wieder zum britischen Commonwealth. Auch hier ist also London nahe.

Inzwischen geht man zu Recht davon aus, dass auch der Euribor, der in Deutschland der Referenzzinssatz Nr. 1 ist, Manipulationsbemühungen ausgesetzt ist. Ganz konkret ist der Verdacht jetzt bei dem Isdafix, der der Leitsatz für Wetten auf die Veränderung bekannter Preise darstellt.  

Es gibt allerdings noch mehr davon: EURIBOR, EONIA, KLIBOR, ISDAfix und TED Spread.

Die bekanntesten und am stärksten manipulierten privat gesetzten öffentlichen Richtwerte sind allerdings die Ratings ganzer Staaten, Städte und Gemeinde, Fonds und Firmen durch die privaten Ratingagenturen Standard & Poors, Moody und Fitch. Hier ist man in der Diskussion ein wenig weiter. Man ruft nach einer öffentlichen Kontrolle nur wie, das weiß bisher noch keiner.

Öffentliche Kontrolle ist nötig

Ein Anfang könnte man mit den Leitsätzen machen. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, warum deren Feststellung nicht den Zentralbanken oder unabhängigen Institutionen übertragen wird.

So stellt z.B. die Bundesbank in ihren Statistiken eine Vielzahl von Durchschnittszinssätzen fest und veröffentlicht sie ebenso wie die EZB in den Monatsberichten.

Auf ihr beruht z.B. die Festsetzung des Basiszinssatzes, der für alle Verzugszinsen laut BGB einschlägig ist. Seine Feststellung ist vollständig in staatlicher Hand, obwohl er sich nach dem Markt richtet. Ähnliches gilt für die Zinsobergrenzen in Frankreich, Italien, Polen, BENELUX.

Ein interessantes Beispiel ist der Pex, der für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen einschlägig ist und Durchschnitt der Pfandbriefzinssätze öffentlicher Anleihen repräsentiert, wie ihn die Bundesbank ausgibt. Er ist so schwer manipulierbar, dass die Hypothekenbanken sich auch dort einen eigenen Leitzinssatz basteln wollten – den REX. Es handelte sich wiederum um einen leicht manipulierbaren und auch manipulierten Leitwert, mit dem man höhere Entschädigungen verlangen konnte. Hier hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 30.11.2004, AZ XI ZR 285/03) unter Zugrundelegung eines im iff erstellten Gutachtens entschieden, dass der REX nicht repräsentativ sei und man schon den PEX nehmen muss, wenn man rechtlich einen Schaden darstellen will.

Die Ausführungen passen Wort für Wort auch auf Euribor oder Libor. Auch diese Sätze werden in Verträgen genutzt. Hierfür verlangt der Bundesgerichtshof eine „Statistik der Deutschen Bundesbank“ und objektiv tatsächlich getätigte Geschäfte statt Meinungsäußerungen der Banken. Dort heißt es:

„(1) Der PEX-Index gibt das Marktgeschehen einseitig aus der Sicht von Hypothekenbanken wie der Beklagten wieder. Das Indexportfolio des PEX besteht …nicht aus wirklich gehandelten, sondern aus 30 synthetischen Pfandbriefen. Den von Hypothekenbanken mitgeteilten Renditen liegen zu einem erheblichen Teil keine realen Umsätze zugrunde, sondern bloße Angebote, zu denen Hypothekenbanken Pfandbriefe verkaufen möchten. In solche Angebote fließen … unter anderem subjektive Einschätzungen und Wünsche ein. Verzerrungen durch eine Meinungsführerschaft von ganz wenigen großen Hypothekenbanken sind, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, nicht völlig ausgeschlossen. … (2) Demgegenüber liefert die Statistik der Deutschen Bundesbank auf der Grundlage tatsächlich durchgeführter Wertpapiergeschäfte ein hinreichend repräsentatives Bild ….“



ID: 48369
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 12.09.13
   
 

Erzeugt: 12.09.13. Letzte Änderung: 12.09.13.
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