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Altersdiskriminierung ist keine Altendiskriminierung
Die Bevorzugung des Mittelalters
Zur Diskriminierung junger Erwachsener und älterer Menschen in Finanzdienstleistungen


Die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes hat jetzt den Tagungsbericht vom 18. Sep­tember 2012 zum Thema „Zu jung? Zu alt? – Altersdiskriminierung als Herausforderung“ vorgelegt. Während die Referenten, trotz des Hinweises auf „zu jung“ im Titel der Veranstaltung, ausnahmslos das Wort „Alter“ i. S. einer Altendiskriminierung auffassten, hat der Leiter des Hamburger instituts für finanzdienstleistungen e.V., Prof. Udo Reifner über die zunehmende Diskriminierung der Jungen bei immer besseren Bedingungen für die Alten im Finanzbereich gesprochen.

Die Zusammenfassung seines Referats durch Günther Hörmann in der offiziellen Dokumentation des Fachkongresses am 18. September 2012 – Umweltforum Auferstehungskirche Berlin gibt den Inhalt zutreffend wieder. Wer mehr darüber wissen will kann das Referat im Original im Anhang hierzu. Der Kongressbericht zu diesem Thema ist nun zum Download angeboten. Die Tagungsreferate selber wurden leider bisher nicht zugänglich gemacht.

Workshop C: Finanzen, Versicherungen, Wohnen Moderation: Dr. Günter Hörmann, Verbraucherzentrale Hamburg

Zu alt? Den Älteren gehe es ausgezeichnet, sagt Professor Reifner in seinem Impulsreferat. Ihre Finanzsituation ist gut, sie sind materiell abgesichert, und der technologische Fortschritt verbessert auch ihre Lebenssituation weiter.  Immer mehr Ältere arbeiten, vor allem Selbstständige arbeiten länger. Arbeit im Alter wird deshalb nichtabhängige Arbeit sein.

Dafür ist aber eine größere Flexibilität notwendig, zum Beispiel bei der  Vergabe von Krediten für Fortbildungen von Selbstständigen, die von  den Banken zunehmend aus dem  Angebot genommen werden. Das größere Problem stellt vielmehr die Diskriminierung der jüngeren Generation dar: Die Jungen werden zugunsten der Alten belastet, die Kita-Gebühren steigen, in den Familien findet kaum Umverteilung statt, der Konsum ist kapitalintensiver geworden. Auch im Finanzdienstleistungssystem werden die Jüngeren benachteiligt: Da die Finanzvergangenheit als Berechnungsgrundlage gilt, haben junge Menschen weniger vorzuweisen. Junge Menschen müssen investieren, um kreditwürdig zu werden. Junge Menschen zahlen zum Beispiel bei der KfZVersicherung das Achtfache. Das System „diffamiert“ die Jüngeren: Alte Menschen haben eine starke politische und gesellschaftliche Lobby, junge Menschen nicht.  Das Ergebnis ist eine völlig ungerechtfertige und ungerechte Mehrbelastung der Jungen gegenüber den Alten. Die Frage für die Zukunft ist daher, wie Finanzdienstleistungen beschaffen sein müssen, um der Diskriminierung junger Menschen entgegenzuwirken. Für die starke Belastung der Jungen gibt es einen statistischen Zusammenhang: 84 Prozent der jungen Menschen haben keine finanziellen Probleme, gleichzeitig müssen sie für die säumigen 16 Prozent ihrer Generation aufkommen.

Diese „signifikante Korrelation“ führt zur Einteilung des Finanzdienstleistungssystems nach Generationen, die ungerecht und auch betriebswirtschaftlich falsch ist, weil Restriktionen wie die der Schufa Investitionen verhindern. Die Jugend ist in einem finanziellen „Ghetto“ gefangen, das ihnen Zinsen in Höhe von 28 Prozent aufzwingt und auch die Notwendigkeit, arbeiten zu gehen. Aus diesem „Ghetto“ muss man sie befreien. Sinnvoll ist daher ein Recht auf Kredit: In den USA  gibt es dazu bereits Ansätze, nach denen Banken unaufgefordert begründen müssen, warum sie Kredite ablehnen. In der  anschließenden Diskussion unterstreicht Professor Reifner noch einmal, dass es sich eher lohnt, an die Jungen zu denken. Die Älteren sind zwar häufiger Opfer von Falschberatung durch die Banken und kaufen dadurch risikoreiche innovative Anlageprodukte. Dies ist aber nicht als eine Folge von Diskriminierung zu bewerten, sondern  findet seinen Grund in  der boomenden Provisionsberatung. Die Schwierigkeit Jüngerer an Kredite zu kommen, zeigt, dass in Deutschland die Kreditvergabe noch immer vor allem in die Vergangenheit schaut, und dass jemand, der einmal insolvent gewesen ist, kaum jemals wieder an einen Kredit kommt. Das ist jedoch der falsche Ansatz. Es ist schließlich wahrscheinlicher, dass jemand, der schon einmal insolvent war, den nächsten Kredit bedachter aufnimmt. Gleichzeitig halten sich auch die Jüngeren selbst für eine Risikogruppe und nehmen die  finanzielle Mehrbelastung hin. Um der  Diskriminierung jüngerer Menschen entgegenzutreten, braucht es daher auch soziologische Ansätze, die dieses „Ghetto der Jugend“ auflöst. Das Antidiskriminierungsrecht, schlägt Reifner vor, sollte deshalb auch soziale Komponenten umfassen.

Der Vorsitzende der Expertenkommission,  Hennig Scherf, nennt Reifners Thesen „wild“ und plädiert dafür, dass Ältere den Jungen unter die Arme greifen. Ein solches Projekt gibt es in Bremen, wo wohlhabende Ältere an sogenannten Gründerabenden auf junge Existenzgründer treffen, um sie finanziell zu unterstützen.
   



ID: 48209
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 23.01.13
   
  • Die Bevorzugung des Mittelalters
    Zur Diskriminierung junger Erwachsener und älterer Menschen in Finanzdienstleistungen - Impulsreferat auf dem Fachkongress der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema: "Zu jung? Zu alt?"
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Erzeugt: 23.01.13. Letzte Änderung: 25.03.13.
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