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Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07
Geldpolitik und Wirtschaft - Die auf Deutsch und Englisch erscheinende Quartalspublikation der OeNB analysiert die laufende Konjunkturentwicklung, bringt mittelfristige makro­ökonomische Prognosen, veröffentlicht zentralbank- und wirtschaftspolitisch relevante Studien und resümiert Befunde volkswirtschaftlicher Workshops und Konferenzen der OeNB.
Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07 – einzelne Kapitel

Editorial
Liebscher, Christl, Mooslechner, Gnan – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Robuste Konjunktur im Euroraum Inflationsrate weiterhin moderat
Breitenfellner, Elsinger, Vondra – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Volkswirtschafts- und Finanzbildung: Konzepte, Ziele, Messung
Gnan, Silgoner, Weber – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Die Finanzkompetenz der österreichischen Bevölkerung
Fessler, Schürz, Wagner, Weber – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Das Wirtschafts- und Finanzbildungsangebot österreichischer Institutionen und Unternehmen
Schlögl – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Das Bildungsangebot ausgewählter Zentralbanken zu Wirtschafts- und Finanzthemen
Fluch – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Humankapital und Wirtschaftswachstum – Zusammenfassung der 35. Volkswirtschaftlichen Tagung
Janger, Burkhard – Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07

Editorial
In den letzten Jahren sind Bemühungen verstärkt in das Interesse wirtschaftspolitischer Institutionen gerückt, die Wirtschafts- und Finanzbildung der Bevölkerung zu fördern. Regierungsstellen, Banken, gemeinnützige Vereine und nicht zuletzt Zentralbanken weltweit haben Initiativen gesetzt, um entsprechende Bildungsprogramme zu starten oder sie haben ihr Bildungsangebot verbreitert und vertieft. Internationale Organisationen – wie die OECD, die G-8 oder die Europäische Kommission – haben auf Basis breit angelegter Bestandsaufnahmen über bestehende wirtschaftliche und finanzielle Bildungsinitiativen „best practices“ identifiziert und diesbezügliche Empfehlungen abgegeben.

Die zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher und finanzieller Bildung hat mehrere Ursachen. Die zunehmende Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordert vom Einzelnen ein breiteres und tieferes Verständnis der Wirtschaft und Finanzmärkte, um wichtige persönliche Entscheidungen ausreichend informiert und damit besser treffen zu können. Höhere Geldvermögensbestände und die Tendenz zur verstärkten individuellen Altersvorsorge machen Finanzanlagewissen zu einer wichtigen Fähigkeit im Rahmen der langfristigen Lebensplanung. Gleichzeitig haben wirtschaftspolitische Entscheidungsträger ein Interesse daran, dass ihre wirtschaftspolitischen Maßnahmen von den Wirtschaftsakteuren auch entsprechend verstanden werden. Für Zentralbanken ist es beispielsweise im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Kernaufgaben Preisstabilität und Finanzmarktstabilität wichtig, dass die Bevölkerung über volkswirtschaftliche und finanzielle Fragen gut informiert ist.

Die OeNB ist seit Jahrzehnten in der wirtschaftlichen Bildung aktiv. Zahlreiche Unterrichtsmaterialien, Seminare für Lehrende und Journalisten sowie die volkswirtschaftlichen Publikationen der OeNB zeugen davon. Die OeNB hat dabei immer auch die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen – in Österreich und in den letzten Jahren verstärkt auch mit den anderen Zentralbanken des Euroraums – gesucht. Das vorliegende Schwerpunktheft von Geldpolitik & Wirtschaft nimmt vor diesem Hintergrund eine Bestandsaufnahme zum Stand der volkswirtschaftlichen und finanziellen Bildung in Österreich und im Ausland vor. Im Mittelpunkt stehen dabei Erkenntnisse zum Inhalt und zu den Zielsetzungen entsprechender Bildungsprogramme, zum volkswirtschaftlichen und finanziellen Bildungsstand in Österreich, zum Umfang des bestehenden Bildungsangebots in Österreich sowie zu den Bildungsaktivitäten anderer Zentralbanken im volkswirtschaftlichen und finanziellen Bereich.

Im ersten Beitrag gehen Gnan, Silgoner und Weber der Frage nach den Konzepten, Zielen und der Messung volkswirtschaftlicher und finanzieller Bildung nach. Wie die Autoren zeigen, wird unter volkswirtschaftlicher und finanzieller Bildung ein überaus breites Spektrum von Inhalten und Aktivitäten verstanden. Die Bildungsinhalte und deren Aufbereitung hängen nicht nur von der konkreten Zielgruppe ab, für die sie erstellt werden, sondern auch von den unterschiedlichen Motiven und Zielen der Bildungsanbieter. Zentralbanken engagieren sich weltweit speziell aus fünf Gründen für die Verbreitung volkswirtschaftlichen und finanziellen Wissens: erstens zur Förderung der Wirksamkeit der Geldpolitik, zweitens im Interesse funktionierender Finanzmärkte, drittens zur Unterstützung nachhaltiger und stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, viertens um das öffentliche Gut „Volkswirtschafts- und Finanzwissen“ bereitzustellen und fünftens zum Aufbau von Reputation und Akzeptanz der Zentralbank als kompetente und für die Bürger nützliche staatliche Institution.

Idealerweise sollte am Beginn jeglicher Bildungsinitiative eine empirische Erhebung des Wissensstands der Bevölkerung und die Identifikation von wichtigen Wissenslücken stehen, die geschlossen werden sollen. Dadurch werden auch die Evaluierung der Wirksamkeit und Effizienz von Bildungsaktivitäten sowie die Qualitätssicherung und deren zielgerichtete Weiterentwicklung gefördert. Die Adäquanz von Bildungsmaßnahmen hängt von der genauen Zielsetzung ab, die mit diesen verfolgt werden soll: ein genereller Grundsatz, der unmittelbar einleuchtend erscheint, aber nicht immer befolgt wird. Wie schwierig die Messung wirtschaftlichen Wissens ist, zeigen die Autoren anhand des am weitesten verbreiteten einschlägigen Tests, des Test of Economic Literacy bzw. Wirtschaftskundlichen Bildungstests. Eine Übersicht über die wenigen rezenten Erhebungen dazu bei der österreichischen Bevölkerung zeigt, dass noch erheblicher Handlungs- und Verbesserungsbedarf im Bereich der wirtschaftlichen Bildung in Österreich besteht. Beispielsweise schätzte nach einer Befragung im Jahr 2006 gut die Hälfte der Österreicher ihr Verständnis über wirtschaftliche Zusammenhänge selbst als schlecht bis sehr schlecht ein. Absolventen von Handelsakademien haben – nicht unerwartet – unter den Schülern den höchsten wirtschaftlichen Wissensstand.

Eine empirische Erhebung zur Finanzkompetenz der österreichischen Bevölkerung legen Fessler, Schürz, Wagner und Weber vor. Das in dieser Untersuchung verwendete Konzept der Finanzkompetenz ist breiter angelegt als finanzielle Bildung. Während Letztere den Schwerpunkt auf Wissen und Verstehen setzt, betont Finanzkompetenz die Bedeutung von Einstellungen (zu Risiko, bestimmten Finanzgeschäften etc.) und der Anwendung des Wissens sowie des Entscheidungsverhaltens. Ausgehend von einer Befragung aus dem Jahr 2004, werden vier Themenkreise untersucht. Der erste befasst sich mit dem Umgang mit Geld. 90% der Befragten geben an, über ihre finanzielle Lage immer genau Bescheid zu wissen. 45% der Haushalte führen Buch über ihre Finanzen, 80% geben an, ihre Rechnungen immer gleich zu bezahlen. 15% haben eine Tendenz, das eigene Bankkonto zu überziehen. 43% der Österreicher sparen regelmäßig, nur 15% geben an, statt lange sparen zu müssen, lieber einen Kredit aufzunehmen. Generell zeigt sich, dass die Sorgfalt im Umgang mit Geld mit dem Alter zunimmt; hingegen hängt sie kaum mit Bildung oder Einkommen zusammen. Ein zweiter Fragenkreis befasst sich mit Zukunftsplanung. Etwa 85% der Haushalte geben an, für Notfälle anzusparen. Private Pensionsvorsorge wird von 82% der befragten Haushalte für wichtig gehalten. Mit höherem Einkommen und Bildungsstand steigt die Einschätzung der Wichtigkeit, von jüngeren Befragten wird Pensionsvorsorge als wichtiger erachtet als von älteren. Über die Hälfte der Befragten zwischen 30 und 60 Jahren haben, nach eigenen Angaben bereits in Eigenvorsorge investiert. Ein dritter Fragenkomplex geht dem Entscheidungsverhalten nach. Nach wie vor sind die Österreicher bei ihren Sparentscheidungen großteils risikoscheu, nur 16% besitzen Aktien und 11% Investmentzertifikate. Knapp die Hälfte der Befragten holen mehrere Angebote von Geldinstituten ein, um das beste Produkt zu finden; die Bereitschaft dazu steigt mit dem Bildungsgrad. Eine vierte Fragengruppe betrifft Beratung und Information. Mit 69% ist die mit Abstand häufigste Informationsquelle zu Finanzthemen die persönliche Beratung in der Hausbank. Beratung in der Familie (31%), Informationseinholung bei verschiedenen Banken (24%), Ratschläge von Freunden und Bekannten (23%), Prospekte sowie Zeitungsinformationen (je 20%) sowie das Internet (19%) spielen eine deutlich geringere Rolle. Die Anzahl der verwendeten Informationsquellen sinkt mit dem Alter und steigt mit Einkommen und Bildung. Das höchste Vertrauen in Finanzfragen genießen der Verein für Konsumenteninformationen (47% Nennungen; Mehrfachnennungen möglich), Banken und Versicherungen (40%), die Arbeiterkammer (33%) und die OeNB (24%). 56% der Befragten trauen eher ihrem Bankberater als dem eigenen Urteilsvermögen. 59% der Befragten befassen sich gerne mit Finanzfragen, 47% bewerten den eigenen Kenntnisstand allerdings als weniger gut, 66% hegen den Wunsch nach mehr Informationen zu Finanzfragen, und 90% sind der Meinung, dass die finanzielle Allgemeinbildung in Österreich verbessert werden sollte.

Im dritten Beitrag gibt Schlögl einen Überblick über das Wirtschafts- und Finanzbildungsangebot österreichischer Institutionen und Unternehmen. Zehn österreichische Anbieter werden auf ihre Schwerpunkte und Aktivitäten untersucht. Dabei zeigt sich, dass die verschiedenen Angebote wenig abgestimmt sind: Viele Themenbereiche werden mehrfach abgedeckt, während andere unberücksichtigt oder zu wenig detailliert behandelt bleiben. Insbesondere für Volksschüler gibt es kaum altersgerecht aufbereitetes Informationsmaterial, aber auch die 11- bis 15-Jährigen sind nicht ausreichend mit geeigneten Bildungsprodukten versorgt. Da die Pflichtschule mit diesem Alter beendet ist, ist dies in vielen Fällen die letzte Gelegenheit, Jugendlichen wichtige Basisinformationen anzubieten und finanzielle Kompetenzen zu vermitteln. Ansätze zur Verbesserung der volkswirtschaftlichen und finanziellen Bildungsmöglichkeiten in Österreich sollten daher verstärkt bei den bisher vernachlässigten Zielgruppen ansetzen. Auch wäre eine bessere Abstimmung zwischen den verschiedenen Bildungsanbietern und mehr Übersicht im Informationsangebot anzustreben.

Der letzte Beitrag von Fluch weitet den Blick über die österreichischen Grenzen aus und sichtet das Bildungsangebot ausgewählter Zentralbanken zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Weltweit bieten rund 30 Zentralbanken – vielfach in enger Kooperation mit anderen Institutionen – teils umfangreiche Bildungspakete für verschiedene Zielgruppen an. Einige Zentralbanken sehen Bildung als integralen Bestandteil ihrer Hauptaufgaben an. Die Hauptzielgruppen des Informationsangebots sind Kinder, Jugendliche, Studierende und Lehrer. Als verwendete Medien gewinnen Multimedia- und E-education-Pakete gegenüber Printprodukten zunehmend an Bedeutung. Einige Zentralbanken haben mit beträchtlichem Ressourceneinsatz spezielle Besucher- oder Bildungszentren und Geldmuseen eingerichtet. Umfang und Übersichtlichkeit der über das Internet angebotenen Bildungsangebote variieren erheblich. Generell scheint der ökonomische Wissenstransfer umso besser zu funktionieren, je einfacher das Medium angelegt und je mehr die Inhalte am persönlichen Nutzen für den Adressaten orientiert sind.

Die vorliegende Bestandsaufnahme zeigt insgesamt, dass in Österreich erhebliche Nachfrage nach volkswirtschaftlichen und finanziellen Bildungsangeboten besteht. Vor allem einzelne wichtige Zielgruppen, wie Kinder und Jugendliche im Pflichtschulalter, scheinen derzeit mit altersgerechten Angeboten unterversorgt zu sein. Die bestehenden Lücken durch geeignete Bildungsprogramme zu schließen, wird in den nächsten Jahren erheblicher Anstrengungen bedürfen. Verstärkte Kooperation und Abstimmung sowie die Zusammenfassung und Ordnung vorhandener Angebote auf einer gemeinsamen Plattform würden der Qualität des Gesamtangebots dienen und die Nutzbarkeit sowie den Zugang für die Konsumenten erhöhen. Die OeNB wird dem hohen Bedarf an wirtschaftlicher Bildung in der österreichischen Bevölkerung durch die Fortführung ihrer diesbezüglichen Anstrengungen und ein entsprechend verbessertes Angebot Rechnung tragen. Dabei wird es nicht zuletzt auch darum gehen, bestmögliche Komplementarität und Zusammenarbeit mit anderen Anbietern in Österreich und im ESZB zu suchen.

ID: 45738
Autor(en): Liebscher, Christl, Mooslechner, Gnan
Erscheinungsdatum: 01.10.07
   
URL(s):

Geldpolitik & Wirtschaft Q3/07
 

Erzeugt: 14.07.10. Letzte Änderung: 14.07.10.
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