verantwortliche-kreditvergabe
HOME   IMPRESSUM   DATENSCHUTZ   SITEMAP
Search OK

 
Home
Der Papst zur Finanzkrise - Nicht Gier und Habsucht sondern Shareholder Value, zweckfreies Investment und exklusive Urheberrechte sind die Probleme - Auszüge aus seiner Sozialenzyklika.

Der Papst hat eine umfangreiche ca. 79 Seiten umfassende Enzyklika zu Fragen von Wirtschaft und Gesellschaft veröffentlicht, mit der die katholische Kirche auch ihre Sicht der Finanzkrise darlegt. Die Presse hat darüber berichtet und teilweise wohl ohne zu lesen dem Papst unterstellt, er hätte Gier und Habsucht als traditionelle Sündenböcke des Kapitalismus ausgemacht. (z.B. Süddt. Ztg: Der Papst, die Finanzmakler und die Gier (am meisten nachgedruckt z.B. FAZfinance.net; ferner Rheinische Post "Papst geißelt Gier"; Hamburger Abendblatt "Benedikts Botschaft: Nicht der Markt ist schlecht, sondern Gier"ebenso Deutsche Welle, Kölnische Rundschau u.s.w.) Man findet aber diese Begriffe nicht bei ihm sondern einen Anklang an das, was wir die produktive Nutzung des Geldes oder kurz "verantwortungsvolle Finanzdienstleistungen" nennen. Wir dokumentieren hier Auszüge aus der Enzyklika mit von uns gesetzten Überschriften, weil das Verständnisraster der Krise allzu eng geworden ist. Tatsächlich wird der Begriff der Gier einmal benutzt aber eben nicht im Zusammenhang mit der Wirtschaft sondern mit der Religion "wenn das Religiöse manchmal nur der Deckmantel für andersartige Gründe ist wie die Gier nach Herrschaft und Reichtum." (Abs. 29) Die Wirtschaft ist für Benedikt ein System und dafür haben wir Menschen die Verantwortung, während die Gier ein Trieb ist. (Zur Metapher von der Gier hier unser Kommentar)

ENZYKLIKA CARITAS IN VERITATE VON PAPST BENEDIKT XVI.

An die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die Personen Gott geweihten Lebens, an die christgläubigen Laien, an alle Menschen guten Willens über die ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit. (Rom, den 29.6.2009)

Gewinnerzielung als Mittel und nicht als Zweck

21. Der Gewinn ist nützlich, wenn er in seiner Eigenschaft als Mittel einem Zweck zugeordnet ist, welcher der Art und Weise seiner Erlangung ebenso wie der seiner Verwendung einen Sinn verleiht. Die ausschließliche Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen. ...

Finanzkrise überwinden

21. Man muß jedoch zugeben, daß ebendiese wirtschaftliche Entwicklung durch Verzerrungen und dramatische Probleme belastet war und weiterhin ist, die durch die augenblickliche Krisensituation noch mehr in den Vordergrund treten. Diese stellt uns unaufschiebbar vor Entscheidungen, die zunehmend die Bestimmung des Menschen selbst betreffen, der im übrigen nicht von seiner Natur absehen kann. Die auf dem Plan befindlichen technischen Kräfte, die weltweiten Wechselbeziehungen, die schädlichen Auswirkungen einer schlecht eingesetzten und darüber hinaus spekulativen Finanzaktivität auf die Realwirtschaft, die stattlichen, oft nur ausgelösten und dann nicht angemessen geleiteten Migrationsströme, die unkontrollierte Ausbeutung der Erdressourcen - all das veranlaßt uns heute, über die notwendigen Maßnahmen zur Lösung von Problemen nachzudenken, die im Vergleich zu den von Papst Paul VI. unternommenen nicht nur neu sind, sondern auch und vor allem einen entscheidenden Einfluß auf das gegenwärtige und zukünftige Wohl der Menschheit haben. Die Aspekte der Krise und ihrer Lösungen wie auch die einer zukünftigen neuen möglichen Entwicklung sind immer mehr miteinander verbunden, sie bedingen sich gegenseitig, erfordern neue Bemühungen um ein Gesamtverständnis und eine neue humanistische Synthese. Die Kompliziertheit und Schwere der augenblicklichen wirtschaftlichen Krise besorgt uns zu Recht, doch müssen wir mit Realismus, Vertrauen und Hoffnung die neuen Verantwortungen übernehmen, zu denen uns das Szenario einer Welt ruft, die einer tiefgreifenden kulturellen Erneuerung und der Wiederentdeckung von Grundwerten bedarf, auf denen eine bessere Zukunft aufzubauen ist. Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen, uns neue Regeln zu geben und neue Einsatzformen zu finden, auf positive Erfahrungen zuzusteuern und die negativen zu verwerfen. So wird die Krise Anlaß zu Unterscheidung und neuer Planung. In dieser eher zuversichtlichen als resignierten Grundhaltung müssen die Schwierigkeiten des gegenwärtigen Augenblicks in Angriff genommen werden

Verarmung durch Korruption, Zweckentfremdung und Urheberrechte

22. ... Absolut gesehen, nimmt der weltweite Reichtum zu, doch die Ungleichheiten vergrößern sich. In den reichen Ländern verarmen neue Gesellschaftsklassen, und es entstehen neue Formen der Armut. In ärmeren Regionen erfreuen sich einige Gruppen einer Art verschwenderischer und konsumorientierter Überentwicklung, die in unannehmbarem Kontrast zu anhaltenden Situationen entmenschlichenden Elends steht. »Der Skandal schreiender Ungerechtigkeit«[56] hält an. Korruption und Illegalität gibt es leider im Verhalten wirtschaftlicher und politischer Vertreter der alten und neuen reichen Länder ebenso wie in den armen Ländern selbst. Manchmal sind es große transnationale Unternehmen oder auch lokale Produktionsgruppen, welche die Menschenrechte der Arbeiter nicht respektieren. Die internationalen Hilfen sind oft durch Verantwortungslosigkeiten sowohl in der Kette der Geber als auch in der der Nutznießer zweckentfremdet worden. Auch im Bereich der nicht materiellen oder der kulturellen Ursachen der Entwicklung bzw. der Unterentwicklung können wir die gleiche Aufteilung der Verantwortung finden. Es gibt übertriebene Formen des Wissensschutzes seitens der reichen Länder durch eine zu strenge Anwendung des Rechtes auf geistiges Eigentum, speziell im medizinischen Bereich. Zugleich bestehen in einigen armen Ländern kulturelle Leitbilder und gesellschaftliche Verhaltensnormen fort, die den Entwicklungsprozeß bremsen..

Finanzkrise ist Vertrauenskrise

32....Zudem sagt uns die Wirtschaftswissenschaft, daß eine strukturelle Situation der Unsicherheit Verhaltensweisen erzeugt, welche die Produktion hemmen und menschliche Ressourcen verschwenden, insofern der Arbeitnehmer dazu neigt, sich passiv den automatischen Mechanismen zu fügen, anstatt Kreativität zu entwickeln. Auch in diesem Punkt gibt es eine Übereinstimmung zwischen Wirtschaftswissenschaft und moralischer Bewertung. Der menschliche Preis ist immer auch ein wirtschaftlicher Preis, und die wirtschaftlichen Mißstände fordern immer auch einen menschlichen Preis.

Sozialer Schutz gegen die Auswirkungen der Geldmärkte

35. Der Markt ist, wenn gegenseitiges und allgemeines Vertrauen herrscht, die wirtschaftliche Institution, die die Begegnung zwischen den Menschen ermöglicht, welche als Wirtschaftstreibende ihre Beziehungen durch einen Vertrag regeln und die gegeneinander aufrechenbaren Güter und Dienstleistungen austauschen, um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Der Markt unterliegt den Prinzipien der sogenannten ausgleichenden Gerechtigkeit, die die Beziehungen des Gebens und Empfangens zwischen gleichwertigen Subjekten regelt. Aber die Soziallehre der Kirche hat stets die Wichtigkeit der distributiven Gerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit für die Marktwirtschaft selbst betont, nicht nur weil diese in das Netz eines größeren sozialen und politischen Umfelds eingebunden ist, sondern auch aufgrund des Beziehungsgeflechts, in dem sie abläuft. Denn wenn der Markt nur dem Prinzip der Gleichwertigkeit der getauschten Güter überlassen wird, ist er nicht in der Lage, für den sozialen Zusammenhalt zu sorgen, den er jedoch braucht, um gut zu funktionieren. Ohne solidarische und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Handlungsweisen in seinem Inneren kann der Markt die ihm eigene wirtschaftliche Funktion nicht vollkommen erfüllen. Heute ist dieses Vertrauen verlorengegangen, und der Vertrauensverlust ist ein schwerer Verlust.

Verbraucherschutz und staatliche Regulierung notwendig

36. ...Die Wirtschaft und das Finanzwesen können, insofern sie Mittel sind, tatsächlich schlecht gebraucht werden, wenn der Verantwortliche sich nur von egoistischen Interessen leiten läßt. So können an sich gute Mittel in schadenbringende Mittel verwandelt werden. Doch diese Konsequenzen bringt die verblendete Vernunft der Menschen hervor, nicht die Mittel selbst. Daher muß sich der Appell nicht an das Mittel, sondern an den Menschen richten, an sein moralisches Gewissen und an seine persönliche und soziale Verantwortung.

Verantwortungsvolle Kreditvergabe, Kapitalmarkt und Shareholder Value

40. ... Der internationale Kapitalmarkt bietet heute tatsächlich einen großen Handlungsspielraum. Zugleich wächst aber auch das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer weiterreichenden "sozialen Verantwortung" des Unternehmens. Auch wenn nicht alle ethischen Konzepte, die heute die Debatte über die soziale Verantwortung des Unternehmens bestimmen, aus der Sicht der Soziallehre der Kirche annehmbar sind, so ist es doch eine Tatsache, daß sich eine Grundüberzeugung ausbreitet, nach der die Führung des Unternehmens nicht allein auf die Interessen der Eigentümer achten darf, sondern muß auch auf die von allen anderen Personenkategorien eingehen, die zum Leben des Unternehmens beitragen: die Arbeitnehmer, die Kunden, die Zulieferer der verschiedenen Produktionselemente, die entsprechende Gemeinde. In den vergangenen Jahren war eine Zunahme einer kosmopolitischen Klasse von Managern zu beobachten, die sich oft nur nach den Anweisungen der Hauptaktionäre richten, bei denen es sich normalerweise um anonyme Fonds handelt, die de facto den Verdienst der Manager bestimmen. Auch heute gibt es jedoch viele Manager, die sich dank weitblickender Analysen immer mehr der tiefgreifenden Verbindungen bewußt werden, die ihr Unternehmen mit der Region oder den Regionen, in denen es arbeitet, hat. Papst Paul VI. lud dazu ein, ernsthaft zu bedenken, welchen Schaden es dem eigenen Land zufügen kann, wenn Kapital nur zum persönlichen Vorteil ins Ausland geschafft wird.[95] Papst Johannes Paul II. merkte an, daß eine Investition neben der wirtschaftlichen immer auch eine moralische Bedeutung hat.[96] Es muß betont werden, daß all das auch heute gilt, auch wenn der Kapitalmarkt stark liberalisiert worden ist und die moderne technologische Denkweise dazu verleiten kann, in einer Investition nur einen technischen Vorgang und nicht auch eine menschliche und ethische Handlung zu sehen.

Community Reinvestment

Es gibt keinen Grund zu leugnen, daß ein gewisses Kapital Gutes bewirken kann, wenn es im Ausland und nicht in der Heimat investiert wird. Es müssen aber die aus Gerechtigkeit bestehenden Ansprüche gewährt sein, wobei auch zu beachten ist, wie dieses Kapital entstanden ist und welchen Schaden die Menschen davontragen, wenn es nicht an den Orten eingesetzt wird, wo es geschaffen wurde.[97]

Spekulation und Nachhaltigkeit

Man muß vermeiden, daß die finanziellen Ressourcen zur Spekulation verwendet werden und man der Versuchung nachgibt, nur einen kurzfristigen Gewinn zu suchen und nicht auch den langfristigen Bestand des Unternehmens, den Nutzen der Investition für die Realwirtschaft und die Sorge für die angemessene und gelegene Förderung von wirtschaftlichen Initiativen in Entwicklungsländern. Ebenso gibt es keinen Grund zu leugnen, daß eine Verlagerung ins Ausland, wenn sie mit Investitionen und Ausbildung verbunden ist, für die Bevölkerung des betreffenden Landes Gutes bewirken kann. Die Arbeit und das technische Wissen werden überall gebraucht. Es ist aber nicht zulässig, eine Auslagerung nur vorzunehmen, um von bestimmten Begünstigungen zu profitieren oder gar um andere auszubeuten, ohne einen echten Beitrag für die Gesellschaft vor Ort zur Schaffung eines stabilen Produktions- und Sozialwesens zu leisten, das eine unverzichtbare Bedingung für eine beständige Entwicklung darstellt.

Reform des Finanzwesens

65. Ferner bedarf das Finanzwesen als solches einer notwendigen Erneuerung der Strukturen und Bestimmungen seiner Funktionsweisen, deren schlechte Anwendung die Realwirtschaft zuvor geschädigt hat. Auf diese Weise kann es dann wieder ein auf die bessere Vermögensschaffung und auf die Entwicklung zielgerichtetes Instrument werden. Die ganze Wirtschaft und das ganze Finanzwesen “nicht nur einige ihrer Bereiche“ müssen nach ethischen Maßstäben als Werkzeuge gebraucht werden, so daß sie angemessene Bedingungen für die Entwicklung des Menschen und der Völker schaffen. Es ist gewiß nützlich und unter manchen Umständen unerläßlich, Finanzinitiativen ins Leben zu rufen, bei denen die humanitäre Dimension vorherrscht. Dies darf aber nicht vergessen lassen, daß das Finanzsystem insgesamt auf die Unterstützung einer echten Entwicklung zielgerichtet sein muß. Vor allem darf die Absicht, Gutes zu tun, nicht der Intention nach der tatsächlichen Güterproduktionskapazität gegenübergestellt werden. Die Finanzmakler müssen die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu mißbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen. Redliche Absicht, Transparenz und die Suche nach guten Ergebnissen sind miteinander vereinbar und dürfen nie voneinander gelöst werden. Wenn die Liebe klug ist, kann sie auch die Mittel finden, um gemäß einer weitblickenden und gerechten Wirtschaftlichkeit zu handeln, wie viele Erfahrungen auf dem Gebiet der Kreditgenossenschaften deutlich unterstreichen.

Sowohl eine Regulierung des Bereichs, welche die schwächeren Subjekte absichert und skandalöse Spekulationen verhindert, als auch der Versuch neuer Finanzformen, die zur Förderung von Entwicklungsprojekten bestimmt sind, bedeuten positive Erfahrungen, die vertieft und gefördert werden müssen und zugleich an die Eigenverantwortung des Sparers appellieren.

Microfinance

Auch die Erfahrung des Mikrofinanzwesens, das seine eigenen Wurzeln in den Überlegungen und Werken der bürgerlichen Humanisten hat “ich denke vor allem an das Entstehen der Leihhäuser“, muß bestärkt und ausgearbeitet werden, besonders in diesen Momenten, wo die Finanzprobleme für viele verwundbarere Teile der Bevölkerung, die vor den Risiken von Wucher oder vor der Hoffnungslosigkeit geschützt werden müssen, dramatisch werden können. Die schwächeren Subjekte müssen angeleitet werden, sich vor dem Wucher zu verteidigen. Ebenso sind die armen Völker darin zu schulen, realen Nutzen aus dem Mikrokredit zu ziehen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten von Ausbeutung in diesen zwei Bereichen gebremst. Da es auch in den reichen Ländern neue Formen von Armut gibt, kann das Mikrofinanzwesen Hilfen geben, neue Initiativen und Bereiche zugunsten der schwachen Gesellschaftsschichten selbst in Phasen einer möglichen Verarmung der Gesellschaft zu schaffen.


ID: 43448
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 08.07.09
   
URL(s):

Website des Vatikan mit Enzyklika

Website of the Vatican (English version)
 

Erzeugt: 08.07.09. Letzte Änderung: 08.07.09.
Information zum Urheberrecht der angezeigten Inhalte kann beim Institut für Finanzdienstleistungen erfragt werden. Aus fehlenden Angaben kann kein Recht zur freien Nutzung der Inhalte abgeleitet werden.