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Thesenpapier Edda Castelló (Verbraucherzentrale Hamburg e.V.): Kunden-Bankbeziehung: Ende eines Vertrauensverhältnisses (Plenum 1)
Nicht erst seit Veröffentlichung des überaus aufschlussreichen Beitrags aus der Wirtschaftswoche vom Februar dieses Jahres, mit dem „Bankberater auspacken“, sind wir in der Verbraucherzentrale der festen Überzeugung, dass Kunde und Bank nie Partner sein können, sondern nur Gegner sind und es bleiben werden. Schärfer formuliert: Die Bank ist der Gegner des Kunden. Milder formuliert: Beide sind Interessengegner.

Nach vielen Tausend Einzelberatungen in den Bereichen Sparen, Geldanlage, Altersvorsorge, Kredit und Versicherungen stellen wir fest, dass in rund 90 % aller Haushalte kapitale Fehler bei allen Entscheidungen rund um das Geld gemacht wurden, mit finanziell nachteiligen Folgen für die Verbraucher in einer Größenordnung, die jedes Jahr ein Mehrfaches dessen beträgt, was an Schäden durch die Pleite der „Göttinger Gruppe“ (geschätzt 1 Milliarde Euro) angerichtet wurde.

Einige Beispiele:

• Wer zu einer Bank geht und einen Konsumentenkredit wünscht, bekommt den – wenn auch nie zu dem beworbenen Schaufensterzins – aber immerhin. Bloß: Nicht selten wird ihm zugleich eine Rentenversicherung für die Altersvorsorge aufgenötigt. Er hat also einen Kredit zu 10 oder 12 % Zinsen an der Backe und spart zeitgleich auf einen Vertrag, für den er 3 oder 4 % Zinsen bekommt – und das über Jahre hinweg.

• 76 von 100 aller Verträge mit einer Laufzeit von 30 Jahren (die gängige Laufzeit bei Kapital-Lebens- und Rentenversicherungsverträgen) werden vor Ablauf abgebrochen (Quelle: Aktuarvereinigung). 3 von 4 Kunden werden also mit einer solchen Anlageform Verlust erleiden, von denen es immerhin rund 80 Millionen gibt. Das sind Jahr um Jahr rund 1 Million Verbraucher. Nichtsdestotrotz werden diese hoch riskanten Verträge weiter in den Markt gedrückt.

• Unsinnige Zusatzversicherungen zu überhöhten Preisen werden Kunden bei der Kreditvergabe aufgeschwatzt. Scheinheilig heißt es dann, die seien ja ganz im Interesse der Kunden. Klären wir hingegen den Kunden über den Unsinn solcher Versicherungen auf und nennen im Preise von möglichen Alternativen, fallen sie aus allen Wolken.

• Desaströs teure Umschuldungen – an sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Schadensersatz auslösend, sofern nicht über die Nachteile aufgeklärt wurde – sind gängiges Geschäftsprinzip großer Banken.

• Finanzdienstleister lieben Kombiprodukte (Bausparvertrag plus Kredit, Kredit plus Versicherung, Versicherung plus Versicherung plus Investmentvertrag plus Sparvertrag = fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatz- und Unfallversicherung mit doppelter Leistung im Todesfall). Diese Kombinationen werden nur aus einem einzigen Grund verkauft: Die immens hohen Kosten werden verschleiert und/oder in die Zukunft verschoben. Es gibt keinen wirtschaftlich nachvollziehbaren Grund für Kunden, diese Pakete so zu kaufen, wie sie von den Verkäufern geschnürt wurden!

• Wer einen Riester-Vertrag haben möchte, bekommt zu 80 % eine Versicherung, weil der „Berater“ dies so vorschlägt. Dabei sind Sparkassen- und Fondssparpläne deutlich besser – wegen geringerer Kosten, höherer Renditechancen und besserer Transparenz.

Opfer dieser Beratungsfehler ist die Mehrheit der Bevölkerung – manche leider mehrfach. Es handelt sich also nicht um Ausreißer besonders gieriger Bankmitarbeiter, sondern um systematische Verschleierung, Falschberatung und Kundentäuschung. Dabei geht es mir überhaupt nicht um die „normalen“ Risiken bei Finanzprodukten – fallende oder steigende Aktienkurse oder Zinsen – die, wie wir meinen, im Prinzip schon der Kunde tragen muss (es sei denn, die werden verschleiert).

Auf Dauer derart miese Produkte zu verkaufen, kann man sich eigentlich nur in einem nicht funktionierenden Wettbewerb leisten. Weil Geld gleich Geld ist und auch durch den Austausch zwischen Bank und Kunde einfach nur Geld bleibt, wäre Markttransparenz eigentlich sehr einfach über Preisangabe herzustellen. Aber die Wirklichkeit zeigt: Ein echter Wettbewerb durch einen Preisvergleich ist nur bei wenigen Produkten und nur noch wenigen Kunden möglich. Auch jederzeit zugängliche Zinsvergleiche spiegeln nicht das wirkliche Marktgeschehen wider. Zinsangebote für Ratenkredite gibt es nur noch mit Sternchen (laufzeitabhängig, bonitätsabhängig); der echte Zins liegt dann weitaus höher als der im Schaufenster präsentierte. Mit Zusatzversicherungen oder Nebenentgelten (immer noch hochherrschaftlich „Gebühren“ genannt!) werden Kosten verschleiert. Für Sparprodukte gibt es noch nicht einmal Renditeangabepflicht. Der echte Preis von Kombiprodukten ist kaum berechenbar. Ob man vor 30 Jahren den richtigen Versicherer ausgesucht hat, erfährt man erst kurz vor Renteneintritt, wenn die Überschüsse der Versicherung deutlich geringer ausfallen als einmal in Aussicht gestellt. Eine Rentenversicherung in der Bezugsphase kann gar nicht gekündigt werden – auch dann nicht, wenn ein paar Monate nach Beginn die Renten mal eben um Hundert Euro im Monat gekürzt werden.

So gibt es weder beim Erwerb von Finanzprodukten einen offenen Wettbewerb – der Kunde ist auf die Informationen angewiesen, die ihm der teuflisch unter Druck stehende Bankmitarbeiter präsentiert – noch später. Wird man dann nämlich – vielleicht nach einer Information durch die Verbraucherzentrale – schlauer und möchte durch Produkt- oder Anbieterwechsel die beim Abschluss gemachten Fehler revidieren, wird dies gänzlich ausgeschlossen oder so verteuert, dass auch zu diesem Zeitpunkt ein Wettbewerb erschwert wird.

Und: Das Ganze ist in den letzten 5 bis 10 Jahren nicht besser, sondern schlimmer geworden.


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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41684
Autor(en): Edda Castelló (Verbraucherzentrale Hamburg e.V.)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 30.07.08. Letzte Änderung: 30.07.08.
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