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Thesenpapier Eberhard Ahr (Rechtsanwalt und Notar in Bremen): Finanzierte Kapitalanlagen – reicht der Anlegerschutz aus? (Workshop F3)
„Kreditspekulation“, die früher gebräuchliche Bezeichnung kennzeichnet den im Thema zu diesem Workshop genannten Tatbestand weit besser als der zunächst harmlos erscheinende Begriff der finanzierten Kapitalanlagen. Zum Risiko des Anlagegeschäftes selber kommt durch den Kredit ein noch einmal doppeltes, ggf. sogar dreifaches, nämlich die Rückzahlungspflicht, das Zinsänderungsrisiko und manchmal auch ein Währungsrisiko.

Allerdings: Warentermingeschäfte auf Pump, Aktienkauf auf Kredit, durch Einmalbeiträge finanzierte sog. Sofortrenten (mitunter in Fremdwährung) auf Kredit, wobei gleich noch ein Aktiendepot zur Tilgung des Kredits mitfinanziert wurden, fanden ihre Kunden vor 15-20 Jahren am ehesten noch in gut betuchten, spitzensteuersatzpflichtigen Oberschichten mit Erfahrung, die in der großen Mehrzahl bewusst spekulierten, die entsprechenden Risiken einschätzen und ggf. eintretende Verluste auch verkraften konnten. Waren Sie doch staatlicherseits durch die steuerliche Absetzbarkeit von Kreditzinsen zusätzlich abgemildert.

Die Spekulation selber war jedoch wegen des hohen Einsatzes (Kredit) und Risikos (meist Börsenschwankungen unterliegende Geschäfte) immer höchst gefährlich.

Seit etwa 15–20 Jahren hat diese „Gefahr“ den gewöhnlichen Bankkunden, den Klein- oder Mittelverdiener erreicht, meist angebaggert, an der Haustür überrumpelt und intensiv bearbeitet von angeblichen Finanzberatern oder verkaufsgeschulten Strukturvertriebsagenten. Türöffner war in der Regel aber auch hier das „Steuersparargument“. Spekuliert wurde mit der allgemeinen Sehnsucht dieser Schichten nach finanzieller Sicherheit, später als „Gier“ verunglimpft. Diese Kreise waren naturgemäß wirtschaftlich viel schwächer, viel weniger erfahren und gebildet, also den Anbietern strukturell weit unterlegen.

Das „Genre“ mutierte zudem zur „finanzierten Kapitalanlage“. Das war aber reine Propaganda; denn es wäre ja mit der treffenderen Bezeichnung auch viel schwieriger geworden, die Großzahl der zukünftigen Kunden zu bekommen, die ja in der Regel auch kein eigenes Geld zur Anlage hatte und deshalb auf Kredite dafür angewiesen war.
Investiert wurde nun je nach Bonität vornehmlich in angeblich wertbeständige Eigentumswohnungen, Immobilienfonds oder Unternehmensbeteiligungen, also weniger in Produkte des mehr oder weniger geregelten Kapitalmarktes, sondern des grauen Kapitalmarktes. Trotzdem fanden sich immer wieder seriöse Banken, Sparkassen und Bausparkassen, die Kredite bis zu 160 % über den eigentlichen Anlagebeträgen gewährten.

Die Geschäfte waren also nicht weniger gefährlich geworden; allerdings hatten sich die Methoden und das Anlagepublikum geändert.

Trotz dieser Entwicklung und der eingangs skizzierten grundsätzlich doppelt hinzukommenden Gefahren: Einen zusätzlichen rechtlichen Schutz gab es für Kreditanlagen durch den Gesetzgeber damals zunächst nicht. Wichtige Verbraucherschutzgesetze aus dieser Zeit, wie z. B. das Abzahlungsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz oder das Haustürwiderrufgesetz erfassten diese komplexen und aus der Sicht der typischen Anleger undurchschaubaren Sachverhalte nur unvollständig und die Rechtsprechung hielt sich zumindest in Bezug auf Finanzanlagegeschäfte in diesem Zusammenhang zurück. Hier galt und gilt auch heute immer noch die Ideologie vom steueroptimiert handelnden Kunden, der die entsprechenden Kenntnisse hat oder sich verschaffen kann (manchmal auch mündiger und informierter Verbraucher genannt).

Der Anlegerschutz reichte und reicht m. E. also auch heute noch nicht aus. Aus Anlegerschutzsicht bräuchte es eigentlich eine stringente rechtliche Regelung zum Schutz des Verbrauchers vor den Risiken oder Gefahren der Kreditspekulation, die möglicherweise auch eine Beschränkung der Kreditvergaben in diesem Bereich enthält, etwa ein Gesetz zum Schutze und zur Regulierung von Krediten zu Anlagegeschäften (SchuKredAnlaG). Es genügt nicht, sich nur von mehr oder weniger „eindimensionalen“ Betrachtungspunkten, etwa dem Haustürschutz oder dem bloßen Verbraucherkreditrecht zu nähern. So bleiben die „gemischten Verträge“ weiter das Stiefkind der Rechtswissenschaft, das sie schon seit über 50 Jahren sind. Es herrscht weiter das „Absorbsionsprinzip“, auch „Trennungstheorie“ genannt, das immer nur nach einem Typus auslegt und das Vertragskonglomerat kurzerhand ignoriert.

Vielleicht ist das eine zu strenge Sicht, der Ruf nach dem Gesetzgeber; vielleicht reicht ja auch eine faire Kreditvergabe und eine ausgewogene Rechtsprechung.
Um zum Schluss doch noch ein wenig konkreter zu werden, will ich noch zwei uns aktuell beschäftigende Problem in diesem Bereich ansprechen:

• Das eine ist die schon angesprochene Trennungstheorie in diesem Bereich. Mit der eigentlich schon ein paar Jahrzehnte alten sehr brauchbaren Figur des „verbundenen Geschäfts“ oder der „wirtschaftlichen Einheit“ sollte diese eigentlich längst vom Tisch sein. Das Prinzip des verbundenen Geschäfts findet in Rechtsprechung und Gesetz noch viel zu wenig Eingang z. B. im Zusammenhang mit der Art und Weise der Rückabwicklung von Kreditanlagen bei Verstößen gegen den Haustürschutz oder Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes oder nach Falschberatung. Dringend muss azu muss endlich der Unsinn aus der Welt, dass es bei Immobilienfinanzierungen angeblich kein verbundenes Geschäft gibt.

• Das andere ist das Prozessrecht, insbesondere die Beweislastverteilung. Bei diesen komplexen Geschäften der Kreditanlagen ist es für den im Prozess fast ausschließlich allein beweisbelasteten Verbraucher, der ja schon wegen seiner prinzipiell strukturellen Unterlegenheit benachteiligt ist, ganz schwer, Beweise (Unterlagen, Dokumente etc.) zu beschaffen, die als Voraussetzung für einen evtl. Anspruch notwendig sind. Die Forderung nach einer Beweislastumkehr, wenigstens nach Beweiserleichterungen in diesem Bereich bleibt daher unumgänglich.


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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41672
Autor(en): Eberhard Ahr (Rechtsanwalt und Notar in Bremen)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 30.07.08. Letzte Änderung: 30.07.08.
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