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Thesenpapier RA Dr. Julius F. Reiter (Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kanzlei Baum Reiter & Collegen, Düsseldorf): Finanzierte Kapitalanlagen – reicht der Anlegerschutz aus? (Workshop F3)
Zwischen den Verbraucherschutzvorschriften des europäischen Rechts und der Umsetzung in Deutschland ist immer wieder ein Spannungsverhältnis festzustellen:

• Der BGH hat in seinen letzten Entscheidungen über Ansprüche von Anlegern bei finanzierten Kapitalanlagen wiederholt deutlich gemacht, dass er die derzeitige Rechtslage in Deutschland nicht für ausreichend hält, um effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten. So hat der BGH bereits in seinem Urteil vom 16.05.2006 angedeutet, dass er die deutsche Rechtslage zum Widerrufsrecht beim kreditfinanzierten Immobilienerwerb nicht für europarechtskonform auslegungsfähig im Sinne der EuGH-Urteile vom 25.10.2005 sieht. Damit schiebt er dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, das Widerrufsrecht europarechtskonform zu gestalten.

• In Bezug auf die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Fondsbeitritts ist ebenfalls ein Spannungsverhältnis zwischen der Haustürgeschäfterichtlinie und den in Deutschland geltenden Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft festzustellen. Daher hat der II. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 05.05.2008 (II ZR 292/06) gemäß Art. 234 EG dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Bestimmungen der Haustürgeschäfterichtlinie der Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entgegenstehen. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre auch hier wünschenswert.

• Das Widerrufsrecht ist nach der Schuldrechtsmodernisierung dadurch eingeschränkt worden, dass nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB eine sog. „Nachbelehrung“ ermöglicht wird. Da nach dieser Neuregelung eine gesonderte Unterschrift des Verbrauchers unter der Widerrufsbelehrung entfällt, ist bereits zweifelhaft, ob eine schlichte schriftliche Mitteilung über das Widerrufsrecht für die effektive Wahrnehmung des Verbraucherschutzes ausreicht. Vor allem dürfte diese Neuregelung aber europarechtswidrig sein und auch Bedenken hinsichtlich des im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verankerten Rückwirkungsverbotes aufwerfen.
Weitere Forderungen an den Gesetzgeber werden von Verbraucherseite teilweise bereits seit Jahren gestellt:

• In bankrechtlichen Streitigkeiten sollte darüber hinaus ein zwingendes Schiedsverfahren eingeführt werden, in dem unbürokratisch und kostenmindernd in zeitnahen Güteterminen Streitigkeiten zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden beigelegt werden können.

• In prozessrechtlicher Hinsicht sollte eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eingeführt werden, die der tatsächlichen Verfahrenssituation stärker als das bisherige Prozessrecht Rechnung trägt. Der aktuelle Prozess vor dem OLG Frankfurt gegen die Deutsche Telekom AG belegt, dass Anleger in Deutschland im Beweisrecht erheblich u.a. gegenüber Anlegern in den USA benachteiligt sind.

• Die Position der öffentlichen Aufsicht im Bankenrecht sollte gesetzlich verstärkt werden.

• Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) sollte auch auf Schadenersatzprozesse außerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches ausgedehnt werden, um Anlegern effektiv prozessuale Möglichkeiten zu eröffnen.


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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41670
Autor(en): RA Dr. Julius F. Reiter (Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kanzlei Baum Reiter & Collegen, Düsseldorf)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 30.07.08. Letzte Änderung: 30.07.08.
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