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Thesenpapier Matthias Brömmel (Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V.): Versichern gegen die Krise? Was macht Die Bank, wenn der Kunde nicht mehr zahlen kann? (Workshop F4)
I. Versichern gegen die Krise

Die aktuelle Praxis der Versicherungen gegen Kreditkrisen ist – zumindest bezogen auf die Ratsuchenden, die Schuldnerberatungsstellen aufsuchen – zum Nachteil der Bankkunden. Sie bedarf einer Änderung.

1. Kredite sind sehr häufig mit Versicherungen kombiniert, ohne dass die Kreditgeber gesondert auf die Versicherungen hinweisen. Den Kreditnehmern ist in aller Regel nicht bewusst, dass a) sie überhaupt einen (gesonderten) Versicherungsvertrag abschließen und b) der Kreditvertrag – zumindest theoretisch – auch ohne Versicherungsvertrag möglich wäre.

2. Diese Koppelung wird regelmäßig zu einer (unausgesprochenen) Bedingung gemacht, ohne die es keinen Kreditvertrag gibt .

3. Obige Praxis führt dazu, dass extrem hohe Kosten / Zinsen entstehen, die im Ergebnis als Wucher zu werten sind.

4. Weiter ist zu beobachten, dass in zahlreichen Fällen die Versicherungen nicht dem konkreten Fall gerecht werden.

Entweder weil a) es schon eine Sicherung gibt oder weil b) Versicherungen abgeschlossen werden, die nicht zur konkreten Situation des Kredit-/Versicherungsnehmers passen. Beispiel: ein erwerbsunfähiger Kunde wird zum Abschluss einer Versicherung mit dem versicherten Risiko der Arbeitslosigkeit gedrängt.

5. Fälle, in denen die Versicherung im Eintrittsfall auch umstandslos zahlte, kommen in der Schuldnerberatungspraxis selten bis gar nicht vor. Vielmehr gibt es Fälle, in denen arbeitslosen Schuldnern trotz Arbeitslosigkeit-RSV die Kredite gekündigt wurden.


II. Was macht die Bank, wenn der Kunde nicht mehr zahlen kann?

„Die Bank“ gibt es nicht, sondern eine Bandbreite von unterschiedlichen Reaktionen, die vor allem in verschiedener Intensität erfolgen. Dies vorausgeschickt, ist gleichwohl zu beobachten: Entweder wird der Kunde als solcher behalten (Umschuldung, neue Kredite) oder „abgestoßen“, d.h. zum bloßen Schuldner herabgestuft, was entsprechende Konsequenzen im Umgang nach sich zieht.

1. Wir erleben zahlreiche Fälle, in denen die Umschuldungen wegen neuer Abschlusskosten, neuer (Restschuld-) Versicherungen u.ä. im Ergebnis nur zu Lasten der Kunden gehen .

2. Die Bank verändert ihr Verhalten zum Kunden und wird nicht der Tatsache gerecht, dass dieser ein Vertragspartner ist / war. Der Respekt gegenüber dem Kunden geht verloren.

• Der Kunde verliert seinen Ansprechpartner / seine Filiale und ist mit einem undurchschaubaren Forderungseinzugs -“Nirwana“ konfrontiert. Dazu gehören auch oft wechselnde Aktenzeichen.
• Der Kunde wird zu Hause auch am Wochenende angerufen; selbst dann, wenn der Kunde ausdrücklich darum bittet, dies zu unterlassen. Briefe werden nicht beantwortet. Mahnschreiben enthalten unsinnige bis sachlich falsche Drohungen.
• Objektiv feststehende Zahlungsunfähigkeit und die oftmals dahinter stehende persönliche Situation des Kunden (z.B. Arbeitslosigkeit) wird nicht zu Kenntnis genommen, sondern mit moralischen Appellen gearbeitet. Dies ist m.E. besonderen brisant, wenn damit die Mitverantwortung der Bank durch teilweise bedenkenlose Kreditvergabe ausgeblendet wird.
• Bei vorgenannten Punkten ist es unerheblich, ob der Schuldner langjähriger Kunde war und lange den Kredit bedient hat.
Der Respektverlust gilt auch bei Einschaltung von Schuldnerberatungsstellen. Diese werden übergangen, deren Aktenzeichen werden nicht genannt usw.

3. Die Bereitschaft der Bank, sich inhaltlich sachgerecht mit dem Krisenfall zu befassen, scheint gering zu sein.

• Anfragen nach Forderungsaufstellungen werden ungenügend, intransparent bis falsch beantwortet.
• Außergerichtliche Einigungsversuche werden beantwortet mit z.B.:
– Forderungsaufstellungen und der Bitte, einen Vergleich zu schicken
– unsinnigen Standard-Anforderungen bzw. -Nachfragen
– Ablehnungen ohne oder mit nicht nachvollziehbaren Begründungen.
• Die Situation des Schuldners ist unerheblich, sondern es gibt z.B. vorgegebene Mindestquoten für einen Vergleich. Individuelles Vorgehen ist schwer möglich.
• Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden ergriffen, obwohl Unpfändbarkeit dokumentiert ist.

4. Die beiden vorgenannten Punkte gelten umso mehr, wenn durch Forderungsverkauf / Inkassoabtretungen Dritte hinzukommen. Die Diskussion im Rahmen des Entwurfs des Risikobegrenzungsgesetzes sollte stets auch für schon gekündigte Kredite geführt werden.


III. Vom Gegner zum Partner?

Ich frage mich regelmäßig, warum Banken ihre Macht in der oben skizzierten Weise einsetzen. Meines Erachtens wäre ein kooperativerer und individueller Umgang mit Kunden in der Krise auch für das finanzielle Eigeninteresse der Banken der größere Gewinn.

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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41665
Autor(en): Matthias Brömmel (Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V.)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 30.07.08. Letzte Änderung: 30.07.08.
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