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Thesenpapier Diplom-Volkswirt Michael Wilken (GP Forschungsgruppe): Das Scoring der Banken – Angemessene Risikobewertung oder intransparente und benachteiligende Kundensegmentierung? (Plenum 2)
Die Studie ermittelt durch Testgespräche die alltägliche Praxis von Banken und Sparkassen bei der Kreditvergabe.
Zu diesem Zweck haben 21 Testpersonen unterschiedlichen Geschlechts und Alters, unterschiedlichen Einkommens und Status und unterschiedlicher Bewertung durch die SCHUFA insgesamt 82 Konditionenanfragen bei 10 verschiedenen Kreditinstituten verteilt über ganz Deutschland durchgeführt.
Mit den Ergebnissen dieser Studie kann die kontroverse Diskussion zwischen Datenschutz/Verbraucherschutz einerseits und Scoringanbietern und –nutzern andererseits auf eine sachliche und empirisch gestützte Basis gestellt werden.

1. Prognosefähigkeit: Es konnte kein Zusammenhang zwischen Schufa-Basisscore, Schufa-Branchenscore und den persönlichen Daten der Testpersonen hergestellt werden. Auch die angebotenen Kreditkonditionen stehen in keinem Zusammenhang zu den Scorewerten der Testpersonen. Ein Beweis für die Prognosefähigkeit der Scorewerte zur Vorhersage der Kreditausfallwahrscheinlichkeit war in den Testgesprächen nicht zu erkennen.

2. Qualitätskontrolle: Bei 14 % der Testpersonen waren im Schufa-Basisscore falsche Angaben gespeichert. Scores, die auf der Basis von fehlerhaften Angaben gespeichert werden, sind selbst fehlerhaft.

3. Automatisierte Entscheidung: Die Bedenken von Datenschutz und Verbraucherschutz sind berechtigt. In 77% der Kreditgespräche wurde das Kreditangebot auf der Basis einer automatisierten Entscheidung abgegeben. In diesen Fällen gaben die Kreditsachbearbeiter an, keinen Einfluss auf die Entscheidung des Computers zu haben.

4. Transparenz: Die Studie hat gezeigt, dass die Scoringverfahren für Verbraucher völlig intransparent sind und Verbraucher in keiner informativen Weise über den Einsatz von Scoringverfahren aufgeklärt werden.

5. Diskriminierung vs. Kreditgerechtigkeit: Kreditinstitute reagieren mit ihren Zins- und Konditionenangeboten sehr unterschiedlich und unsystematisch auf dieselbe Testperson. Bei Menschen mit einem Nettoeinkommen von 1.500 Euro und weniger hängt es offenbar vom Zufall ab, ob und zu welchen Konditionen sie einen Kredit bekommen. Die Diskriminierung von Verbrauchern durch Scoringsysteme liegt sowohl in der Beurteilung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit (Kreditbepreisung) wie im Ausschluss vom Kreditgeschäft aufgrund automatisierter nicht veränderbarer Systemvorgaben vor.

6. Kenntnisstand der Verbraucher: Lediglich 12% der Bevölkerung kennen den Begriff „Scoring“. Nur 0,8% wissen, dass Scoring direkte Auswirkungen auf Kreditkonditionen hat.

7. Wissenschaftlichkeit vs. Geschäftsgeheimnis: Beim Scoring hört das Geschäftsgeheimnis dort auf, wo Wissenschaftlichkeit behauptet, aber nicht nachgewiesen worden ist. Die Möglichkeit, Transparenz zu verhindern, indem sich Auskunfteien und Kreditinstitute auf die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen zurückziehen, sollte aus der Gesetzesinitiative zur Änderung des BDSG ersatzlos gestrichen werden.

8. Gesetzgebungsbedarf: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die gesetzlichen Kontrollen schärfer sein sollten, dass geeignete Prüf- und Zertifizierungsgremien mit der Kontrolle beauftragt werden sollten und dass die Anwendung von Scoringverfahren gesetzlich verboten werden sollte, wenn die Prognosefähigkeit der Scoringverfahren nicht wissenschaftlich nachgewiesen wurde.

9. Die Ergebnisse der Studie legen nahe,

- Transparenzpflichten wie in den USA herzustellen,
- ohne Prognosenachweis die Bezeichnung „wissenschaftlich“ für Scoringverfahren wegen irreführender Werbung zu untersagen,
- zur Prüfung der Kreditwürdigkeit weniger Informationen abzufragen,
(Die Kapitaldienstfähigkeit ergibt sich aus: Identität und Adresse, Nettoeinkommen, Mietbelastung einschl. Nebenkosten, Familienstand, Anzahl unterhaltsberechtigter Kinder, Anzahl vorhandener Kredite und Höhe der Kreditbelastungen, Zahlungsverpflichtungen, Lebenshaltungskosten)
- die „Holschuld“ der Verbraucher in eine kostenfreie „Bringschuld“ der Kreditinstitute und Auskunfteien umzuwandeln, wie im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehen,
- die Ausweitung des Einsatzes von Scoring auf andere Branchen (z.B. Vermieter, Telekommunikation etc.) gesetzlich zu untersagen.

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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41592
Autor(en): Diplom-Volkswirt Michael Wilken (GP Forschungsgruppe)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 28.07.08. Letzte Änderung: 28.07.08.
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