verantwortliche-kreditvergabe
HOME   IMPRESSUM   DATENSCHUTZ   SITEMAP
Search OK

 
Home
Thesenpapier Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (Hamburg/Bremen): Verkauf von Krediten (Plenum 3)
Die Veräußerung von Krediten beschäftigt seit einiger Zeit die zuständigen Ministerien, die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages und den Bundesrat. Betroffen sind ungezählte Unternehmer und Verbraucher als Kreditnehmer und Eigentümer der Grundstücke, die der Sicherung der Darlehen dienen. Entgegen mancher Vorstellung sind Kreditverkäufe stark risikobehaftet und aus verschiedenen Gründen gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll (dazu A.). Mit dem Verkauf derartiger Kredite nebst Sicherheiten gegen den Willen der Betroffenen oder ohne deren Wissen werden in hohem Maße Prinzipien berührt, auf denen unsere gesamte Gesellschaft beruht. Betroffen ist die Privatautonomie und Vertragspartnerwahlfreiheit zum einen und die Eigentumsfreiheit zum anderen (dazu B). Daraus ergibt sich ein dringender Regelungsbedarf für den Gesetzgeber (dazu C.).

A. ÖKONOMISCHE RISIKEN

Die Verkehrsfähigkeit von validen Darlehensforderungen war in Deutschland eigentlich nie ein Thema. Sie ist eine Erfindung der Banken und Kapitalmärkte aus jüngster Zeit. Lediglich Forderungen aus gekündigten Darlehen können schon seit Langem mittels Abtretung an Dritte weitergegeben werden, wie etwa zum Inkasso. Das kann auch für die betroffenen Kreditnehmer sinnvoll sein, wenn durch eine professionelle und seriöse Kreditabwicklung nicht nach dem immer gleichen Schema der Kreditkündigung die Zwangsvollstreckung folgt, sondern Individuallösungen und Zahlungsmoratorien vereinbart werden. Üblich und seit längerer Zeit praktiziert waren auch sog. stille Zessionen innerhalb der Bankbranche zum Zwecke der Refinanzierung, gegen die weder Unternehmer noch Verbraucher je Einwände erhoben haben. Eine neue Qualität hat der Verkauf aber dadurch bekommen, dass sich Banken nunmehr ganz von ihren Kunden trennen und das Darlehen inklusive der auf dem Grundstück lastendenden Grundschuld und der persönlichen Haftungsübernahme nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung an Personen verkaufen, die an der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses kein Interesse haben und teilweise die schnellstmögliche Verwertung der Immobilie anstreben. Für die kreditgebenden Banken hat dies vor allem den Vorteil, dass sie für diese Kredite kein Eigenkapital mehr vorrätig halten müssen und wieder neue Kredite vergeben können. Die seit einiger Zeit verschärften Eigenkapitalvorschriften für Banken führen offensichtlich zu einem derartigen Ausweichen, das aber aus verschiedenen Gründen nicht akzeptabel ist.

1. Risiko ohne Eigenkapitalabsicherung
Wenn durch dieses Geschäftsgebaren dasselbe Eigenkapital immer wieder zu weiterer Kreditvergabe benutzt wird, ist dies für die Volkswirtschaft insgesamt schädlich. Die Risiken werden durch den Verkauf an andere Institute, zumeist aber an Nichtbanken verschoben, verschwinden aber natürlich nicht. Insbesondere die übliche Übertragung der Kredite auf Zweckgesellschaften, die zum Teil unterentwickelten Rechtsordnungen, oft keiner Aufsicht unterliegen, jedenfalls aber nur mit einem Minimum an Eigenkapital ausgestattet sind, schafft Risiken ohne nennenswerte Eigenkapitalabsicherung. Dies führt im Ergebnis zu einer Umgehung, wenn nicht gar einer Verletzung der Eigenkapitalvorschriften nach Basel II und der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, dem die Aufsichtsorgane und politisch Verantwortlichen nicht tatenlos zusehen können.

2. Nicht beherrschbare Risiken
Die massenweise Bündelung von Krediten zu Paketen schafft nicht etwa nur verharmlosend ausgedrückt klumpenartige, sondern angesichts ihrer Höhe fast monströse Risiken, die wenigstens als Handelsobjekte undurchsichtig und selbst für Banker nicht mehr durchschaubar sind. Selbst Investoren und Gläubiger wissen nicht genau, wie sie die komplexen Risiken der Anleihen zu bewerten haben. Die Eigenkapitalunterlegung der einzelnen Risiken schafft hierzu einen Ausgleich und Verantwortlichkeit und dient nicht nur der Stabilität der einzelnen Bank, sondern der des Finanzmarktes insgesamt. Wenn sich Kreditinstitute am Handel mit ausfallgefährdeten Krediten beteiligen und damit selbst in Schieflage geraten, weil sie die damit verbundenen Risiken nicht zutreffend eingeschätzt haben, darf dies nicht zum Eingreifen des Staates führen, insbesondere dann nicht, wenn wie in Sachsen die jahrelangen Sparbemühungen des Staates damit konterkariert werden und zwar auf Kosten sozial dringend notwendiger Investitionen und der Absenkung notwendiger Standards. Zudem wird durch derartige Transaktionen das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt geschwächt, und auch volkswirtschaftlich macht es keinen Sinn, dass das Risiko von Krediten auf Dritte, insbesondere auch Privatanleger im Wege der mittelbaren Beteiligung an Fonds- oder Fondsprodukten verlagert wird. Außerdem wird der Erwerb der Kreditpakte seinerseits oft kreditfinanziert und soll mit den Erträgen aus den Darlehensforderungen und dafür bestellten Sicherheiten getilgt werden. Oft wurden solche Erwerbsfinanzierungen großzügig gewährt und machten nicht selten das Vierfache des Wertes der dafür gestellten Sicherheiten, also der aufgekauften Kreditforderungen, aus. Erweisen sich diese Tranchen als weniger ertragreich als angenommen wird bei Fälligkeit unter Umständen weiterer erheblicher Berichtigungsbedarf bestehen. Das könnte Akteure treffen, die mit dem Kredithandel bislang nicht in Verbindung gebracht wurden.

3. Unverantwortliche Kreditvergabe
Die Ausplatzierung von Krediten führt nach einer empirisch unterlegten Studie der London School of Economics und der Universitäten Chicago und Michigan zu einer Verringerung des Interesses der Banken, auf die Qualität der Kreditnehmer bei der Neuvergabe zu achten. Gerade aber die immense Kreditausweitung ist eine wesentliche Ursache für die gegenwärtige Finanzmarktkrise – wie auch bereits für die Immobilienkrise Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Verantwortungsvolle Kreditvergabe geschieht aber nur, wenn die Bank nicht gefahrlos immer weitere Kredite vergeben kann, sondern das Eigenkapital an das jeweilige Darlehen gebunden bleibt, wie es auch dem Sinn und Zweck der Regeln zu Basel II entspricht. Konsequenterweise hat die Bundesbank die Kreditwirtschaft aufgefordert, Erstverlust-Tranchen von Krediten zu behalten und selbst mehr Ausfallrisiken zu tragen. Andernfalls wird das Prinzip der Risikobegrenzung verletzt.

4. Beendigung oder Konditionenverschlechterung bei Bestandsverträgen
Oft haben die neuen Eigentümer der Kredite keine Banklizenz. Oder aber eine solche besteht, aber das Institut ist nicht annähernd vergleichbar mit dem bisherigen Kreditgeber. Bei anstehenden Prolongationen, auf die der Kreditnehmer in aller Regel beim langfristigen Immobiliarkreditvertrag einen Anspruch hat, kann der neue Eigentümer den Vertrag entweder überhaupt nicht oder nur zu schlechteren Konditionen als die der bisherigen Bank fortführen. Das bringt Unternehmen wie Häuslebauer in der Regel in erhebliche Schwierigkeiten und gefährdet deren Bestand.

5. Unkontrollierten Einfluss auf Unternehmen
Wenn Finanzinvestoren über das Vehikel Kredit Einfluss auf Unternehmen erlangen, deren Anteile nicht am Kapitalmarkt verfügbar sind und nach dem Willen der Eigentümer auch nicht sein sollen, können sie plötzlich kurzfristigen Verwertungsinteressen unterworfen sein, anstatt lang- oder mittelfristig zu agieren. Wenn Beteiligungsfonds dann auch noch in den Erwerb von Übernahmedarlehen investieren, entstehen dadurch möglicherweise schwere Interessenkonflikte zum Nachteil anderer Gläubiger. Beides ist nicht im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland.


B. RECHTLICHE RISIKEN

Banken verkaufen Darlehen an in- und ausländische Investoren unabhängig davon, ob diese ordnungsgemäß bedient worden sind. Zwar sind es überwiegend gekündigte Kredite, die an Dritte entweder abgetreten oder im Wege gesellschaftsrechtlicher Umwandlung gelangen. Um die Kreditpakte aber attraktiv zu machen, enthalten diese oft bis zu 15%, teilweise sogar überwiegend Darlehen von Unternehmern und Häuslebauern mit zweifelsfreier Bonität und guter Sicherungslage.

1. Partnerfreiheit
Im Rahmen der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie steht es jedermann frei, ob und mit wem er einen Vertrag eingeht. Kommt es aber zum Vertragsabschluss, sind beide Parteien daran gebunden und zwar sachlich wie personell. Wenn ein ganzer Vertrag auf einen Dritten übertragen werden soll, muss der dadurch betroffene Vertragspartner somit zwingend einverstanden sein. Lediglich für ganz besondere Fälle hält das Gesetz hiervon Ausnahmen parat. So gehen Miet- und Pachtverträge zum Schutz des Mieters und Erhalt der Nutzungsmöglichkeit nach § 566 BGB auf den Erwerber der Mieträumlichkeiten über; Arbeitnehmern steht nach § 613a Abs. 6 BGB gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang ein Widerspruchsrecht zu. In beiden Fällen werden also die von einer Veräußerung sozial und wirtschaftlich Betroffenen geschützt. Für Darlehensverträge existieren solche gesetzlichen Sonderregelungen bislang nicht, weswegen es bei den allgemeinen Grundsätzen verbleibt, dass sich eine Bank – aus welchen Gründen auch immer – nicht ihres Kreditnehmers ohne dessen vorherige Einwilligung als Vertragspartner entledigen darf. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind. Von der ordentlichen Kündigung abgesehen, kann sich eine Seite aus einem laufenden Dauerschuldverhältnis nur lösen, wenn ihre berechtigten Interessen diejenigen des anderen Teils erheblich überwiegen. Auch dann kann die eine Vertragspartei den Vertrag nur beenden, niemals aber gegen den Willen seines Partners auf einen Dritten übertragen.

Nach einer über die Jahrhunderte zum Teil erbittert geführten Debatte ist es möglich, Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf einen Dritten zu übertragen ohne dass der Schuldner zustimmen muss. Dies ist von Banken und Sparkassen dazu genutzt worden, um im großen Stil Kreditforderungen zu Paketen zusammenzufassen und an Finanzinvestoren zu verkaufen. Derartige Zessionen sind aber nach § 399 BGB nur zulässig, wenn – von vorherigen Abtretungsausschlüssen abgesehen – die Übertragung nicht zur Veränderung des Leistungsinhalts führt. Das ist der Fall, wenn Vertragsverhältnisse durch die Personen bestimmt, also höchstpersönlich oder personengebunden sind, oder dem Schuldner im Hinblick auf seine schutzwürdigen Interessen eine Übertragung nicht zugemutet werden kann. So liegt es regelmäßig beim langfristigen, oft über mehrere Jahrzehnte angelegten Immobiliarkredit, wo die Vertragsparteien aufeinander als Person und hinsichtlich der Bank als Institution vertrauen. Dies gilt gleichfalls für eine etwaige Gesamtrechtsnachfolge nach den Umwandlungstatbeständen.

2. Eigentumsfreiheit
Kreditverkäufe greifen auch tief in die in Art. 14 GG geschützte Eigentumsfreiheit ein. Der Kreditnehmer oder Dritte, der sein Grundstück oder seine Immobilie dem Darlehensgeber als Sicherheit zur Verfügung gestellt hat, will nicht, dass das Verwertungsrecht plötzlich bei einer ganz anderen Person liegt. Sein Vertrauen, dass mit der Sicherheit sorgsam umgegangen und ausschließlich im berechtigen Sicherungsfall vollstreckt wird, hat er dem konkreten Kreditgeber, einer deutschen oder europäischen Bank geschenkt, nicht aber einem Dritten, der ggf. keine Banklizenz innehat oder nicht einmal einer geordneten Aufsicht unterliegt.


C. DRINGENDER HANDLUNGSBEDARF

Die gegenwärtige Finanzkrise ist ein Spiegel des immensen Vertrauensverlustes selbst der Banken untereinander und vor allem durch den Handel mit verbrieften Kreditforderungen verursacht. Nach Ansicht des Finanzministeriums soll hingegen die Verkehrsfähigkeit von Darlehensforderungen nicht eingeschränkt werden, um der Bankbranche diese Refinanzierungsmöglichkeit zu erhalten, was sich letztlich in günstigeren Bedingungen für Kreditnehmer niederschlagen würde. Dass aber diesselben Kreditnehmer bei Verkauf ihrer Darlehen mit schweren Nachteilen zu rechnen haben, wird nicht erwähnt. Bei der Kreditveräußerung über die Umwandlungsfälle verlieren sie ihren Vertragspartner und sind einem direkten Vollstreckungszugriff Dritter ausgesetzt. Auch konditional stehen sie in vielen Fällen schlechter als mit ihren ursprünglichen Vertragspartnern. Weiter – so wird kolportiert – sei es unmöglich, die problematischen Fälle gesetzlich festzulegen. Das ist jedenfalls unzutreffend. Der Handel kann ohne Weiteres europarechtskonform beschränkt werden, um Schaden von der Volkswirtschaft und vor allem von den Betroffenen abzuwenden. Der Gesetzgeber muss die Privatautonomie in Form der Vertragspartnerwahlfreiheit stärken. Wer mit seiner Hausbank einen langfristigen Vertrag schließt und sich – wie üblicherweise – ihr gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung in seine Immobilie sowie Einkommen und persönliches Vermögen unterwerfen muss, vertraut auf die Redlichkeit der Bankmitarbeiter und den guten Ruf des Instituts, diese Vollstreckungsmacht nicht zu missbrauchen. Zudem unterliegt die Bank der staatlichen Aufsicht. Zu einer Investorengruppe - oft aus fernen Ländern – hat ein Kreditnehmer keinen Bezug und hätte auch mit diesem keinen Vertrag geschlossen, der für viele, insbesondere Häuslebauer angesichts der Laufzeit und Summe den wichtigsten Vertrag überhaupt im Leben darstellt. Daher muss die Bank bei einem bestehenden Vertrauensverhältnis vor einem Verkauf vom Kreditnehmer wie bei einer Vertragsübernahme die Zustimmung des Kreditnehmers einholen. Das ist den Banken - wie jedem anderen Vertragspartner auch! - ohne Weiteres zumutbar. Unterstützend sollte dem Kreditnehmer bei unzulässiger Weitergabe (auch seiner Daten) ein Kündigungsrecht eingeräumt werden und als Vollstreckungsvoraussetzung die Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung Pflicht werden. Andernfalls werden wie bisher gewerbliche wie private Kreditnehmer wie Sachen verschoben, das Vertrauen in die Banken enttäuscht und das Hausbankprinzip zerstört. Das kann kein vernünftig handelnder Bankkaufmann nur wegen kurzfristig besserer Margen wollen. Wer hingegen meint, einzelne Akteure der Finanzwirtschaft müssten nur Fakten schaffen, die dann lediglich noch nachvollzogen werden dürften, liegt auch ökonomisch und finanzpolitisch falsch. Die Vertragsfreiheit, der Bestand von Unternehmen und das Vertrauen in den Finanzmarkt ist in solchen Händen tatsächlich in Gefahr.


___________________________________________________

Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41366
Autor(en): Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (Hamburg/Bremen)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 05.06.08. Letzte Änderung: 05.06.08.
Information zum Urheberrecht der angezeigten Inhalte kann beim Institut für Finanzdienstleistungen erfragt werden. Aus fehlenden Angaben kann kein Recht zur freien Nutzung der Inhalte abgeleitet werden.