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Thesenpapier Dr. Achim Tiffe, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff): Neue Altersvorsorge-Produkte (bspw. Reverse Mortgage) – Entwicklungen auf dem deutschen Markt und europäische Vorbilder (Workshop S3)
Reverse Mortgage ist, wörtlich übersetzt, eine umgekehrte Hypothek. Mit diesem Produkt, das seit Ende der 80er Jahre in den USA erprobt ist, kann man Geld aus seiner selbst bewohnten Immobilie herausholen. Die Bank zahlt dem Kunden entweder eine monatliche Rente oder Einmalbeträge aus, als Gegenleistung erhält die Bank nach Tod oder Auszug des Rentners aus seiner Immobilie das Darlehen mit den aufgelaufenen Zinsen zurück. Ziel von Reverse Mortgage ist, die Liquidität älterer Menschen mit eigenen Mitteln zu erhöhen.

Seit dem Jahr 2000, als auch das Institut für Finanzdienstleistungen eine Studie für einen deutschen Anbieter herausgebracht hat, gibt es das Interesse deutscher Banken an Reverse Mortgage Produkten. Die Einführung hat sich jedoch schwieriger gestaltet als die Banken ursprünglich dachten und mit der ersten Welle hat es keine Bank oder Sparkasse geschafft, ein Reverse Mortgage Produkt auf den deutschen Markt zu bringen. Viele Anbieter sind daran gescheitert, dass sie eine Versicherung mit einbeziehen mussten, deren Anbieter für das Langlebigkeitsrisiko erhebliche Aufschläge verlangten, wodurch die Vermarktung des Produkts schwierig erschien.

Seit anderthalb Jahren hat das Interesse an dem Produkt Reverse Mortgage stark zugenommen. Zum einen wächst die Gruppe der über 60-jährigen und damit die Zielgruppe stetig an, zum anderen ist die Anzahl der abgeschlossenen Reverse Mortgage Verträge in den USA in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Über die Größe des Marktes in Deutschland gibt es unterschiedliche Einschätzungen je nachdem, welche Zielgruppe man erreichen will. Zum einen gibt es sehr wohlhabende Rentner, die ein lukratives Klientel sind, vor allem, wenn Sie keine direkten Nachkommen haben und ihre Immobilie nicht unbedingt vererben wollen. Zum anderen gibt es die zunehmende Diskussion über Altersarmut, aufgrund geringer Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung (geringe Einzahlungen, durchbrochene Lebensläufe) für große Bevölkerungskreise, die den Bedarf an Reverse Mortgage Produkten wachsen lässt.

Nun ist Anfang 2008 der erste Anbieter mit einem Reverse Mortgage Produkt auf den deutschen Markt getreten. Die Hannoversche Leben bietet eine „Rentenhypothek“ an, die zwar bei näherem Hinsehen eher eine klassische Hypothek für Rentner ist, die deren Liquidität nicht erhöht. Ungeachtet dessen ist es aber ein erster mutiger Schritt. Mindestens zwei weitere Anbieter arbeiten an Reverse Mortgage Produkten und wollen dieses Jahr noch damit auf dem deutschen Markt erscheinen.

Gleichzeitig rückt das Thema „Equity Release Schemes“ in den Fokus der Europäischen Kommission. Im Weißbuch über die Integration der EU-Hypothekarkreditmärkte aus dem Jahr 2007 hat die Kommission eine derartige Studie angekündigt, die nun dieses Jahr vom Institut für Finanzdienstleistungen durchgeführt wird. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse ist Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Und auch international um Deutschland herum tut sich einiges: Staaten wie Italien und Frankreich haben in den letzen Jahren bewußt einen rechtlichen Rahmen geschaffen, um Reverse Mortgage Produkte im eigenen Land zu ermöglichen und in Großbritannien gibt es derartige Produkte wie in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland schon seit längerer Zeit. Produkte, Verkauf und Rechte der Kunden sind aber sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das IFF wird auf der Veranstaltung über Ansätze aus anderen Ländern und die laufende EU-Studie berichten.

Die Leute verlieren mit Reverse Mortgage Produkten zu einem bestimmten Teil die alleinige Verfügungsgewalt über ihre eigene Immobilie und bauen über eine unabsehbare Zeit möglicherweise beträchtliche Darlehensschulden auf, die Sie aus zukünftigen Einkommen in der Regel nicht auffangen können. Daher gibt es viele psychologische Barrieren seine Immobilie aufzuessen („eat your brick“), angefangen von der Angst, die Kontrolle über die eigene Immobilie zu verlieren, über die verhältnismäßig gering erscheinenden Auszahlungen, bis zum Wunsch nach Vererbung. Der Rückgriff auf vorhandenes Kapitalvermögen, soweit vorhanden, erscheint dabei immer eine attraktive Alternative.

Aus der Verbraucherperspektive gab es in Ländern wie Großbritannien mit Reverse Mortgage Produkten – dort lifetime mortgages genannt – schon erhebliche Probleme, die mit einem hohen Vertrauensverlust verbunden waren. Schließlich setzen die Rentner meist Ihr größtes Vermögen, die eigene Immobilie, dafür ein. Aus Verbrauchersicht scheinen daher bei einem Reverse Mortgage Produkt folgende Punkte wichtig:

– Verständliches Produkt
– Transparenz der Preise und Kosten
– Eingehende Beratung vor Vertragsschluss
– Aufklärung über Risiken
– Sicherheit (Klare Eigentümerposition, Schutz vor Zwangsvollstreckung)
– Flexibilität bei veränderten Lebensbedingungen

In den USA zum Beispiel muss sicher gestellt sein, dass eine externe Beratung durch eine neutrale Stelle vor Vertragsschluss verpflichtend vorgeschrieben wird, um Missbrauch zu vermeiden und die Entscheidung noch einmal vor Vertragsschluss prüfen zu lassen.

Schwierigkeiten gibt es aber auch für Anbieter, die auf der Komplexität des Produkts, das sich aus dem Darlehen, den Versicherungskomponenten, einer gewissen Verwaltung der Immobilie und dem üblich folgenden Verkauf der Immobilie zusammen setzt, beruhen. Zudem besteht eine große Unsicherheit bezüglich zukünftiger Immobilienwerte und das Problem eines flächendeckenden Angebots in Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang.

Auf der Veranstaltung soll daher den Fragen aus Anbieter-, Wissenschafts- und Verbrauchersicht nachgegangen werden,

– was wir von den Erfahrungen aus anderen Staaten lernen können,
– wie groß der Markt für Reverse Mortgage Produkte in Deutschland geschätzt wird,
– welche Produkte und Anbieter wir in Deutschland zu erwarten haben,
– welche Schwierigkeiten die Anbieter bei der Produktgestaltung haben,
– welche Zielgruppen bestehen (Alter, Einkommen, Vermögen, Immobilienwerte)
– für wen sich derartige Produkte eignen,
– wie man mit psychologischen Barrieren umgeht,
– ob es Alternativen zu Reverse Mortgage Produkten gibt,
– wie viel Verbraucherschutz wir bei diesen Produkten benötigen,
– vor welchen Produktarten Verbraucher gewarnt werden sollten und schließlich
– ob eine staatliche Absicherung/Kontrolle Anbietern und Verbrauchern helfen würde.

Mit an der Diskussion nehmen teil: Gunnar Lang (ZEW); Edda Castello (Verbraucherzentrale Hamburg); Axel Vogt (Investitionsbank SH)

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Thesenpapier – 3. Nationale Finanzdienstleistungs-Konferenz
6.–7. Juni 2008 in Hamburg

ID: 41347
Autor(en): Dr. Achim Tiffe, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)
Erscheinungsdatum: 04.06.08
   
 

Erzeugt: 04.06.08. Letzte Änderung: 05.06.08.
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