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Schrottimmobilien: Landgericht Karlsruhe hält Praxis kreditvermittelter Haustüranlagegeschäfte mit geschäftlich unerfahrenen Verbrauchern für verwerflich und sittenwidrig.
In einer an Deutlichkeit kaum zu überbietenden Entscheidung, auf die Prof. Schmelz uns aufmerksam machte, hat das Landgericht Karlsruhe bereits in einem Urteil vom 3.2.2006 (5 O 110/05) die auch von großen Banken gepflegte Praxis der Schrottimmobilienverkäufe als Altersvorsorge kritisiert und damit sich sachkundig vor allem gegen die unterschwellig von den Obergerichten und vor allem vom Bankensenat des BGH in seinen Tatbeständen ("zur Steuerersparnis"!) angelegten Diffamierung der betroffenen Anlegern als Spekulanten und Steuersparern distanziert.

Obwohl es bereits zugunsten der Geschädigten eine Lösung gem. §6 VerbrKreditG sieht, erörtert es doch gleichwohl hilfsweise für die nächst höhere Instanz vorbereitend die Frage der grundsätzlichen Sittenwidrigkeit dieser Konstruktion. Dabei spricht es das besondere Risiko (IV.1), die erschwerende Besonderheit der Finanzierung solcher Anlagen (IV.2) und die langandauernde Bindung (IV.3) sowie die typische Schwäche solcher überrumpelter Parteien (IV.4) an.

IV. 1. [HOHES VERBORGENES RISIKO]

Die im Rahmen von Treuhändermodellen angebotenen Immobilienanlagen - Gesellschaftsanteile an Immobilienfondsgesellschaften oder Eigentumswohnungen, die in einem Pool treuhänderisch verwaltet werden - sind sehr risikoträchtig. Die Immobilien bzw. Beteiligungen werden vielfach zu stark überhöhten Preisen angeboten. Hinzu kommen in der Regel erhebliche - teils den Initiatoren, teil den Vermittlern zugute kommende - Provisionen und sonstige Nebenentgelte. Nicht selten ist es auch so, dass die Immobilie oder Beteiligung zu einem Zeitpunkt angeboten wird, zu dem der Initiator oder eine für das Projekt wesentliche Gesellschaft (etwa wenn von dieser eine Mietgarantie übernommen wurde) schon, insbesondere nach bereits verlustreichen früheren Projekten, unmittelbar vor der Insolvenz steht. Selbst wenn es aber der Kunde mit Verkäufern zu tun hat, die seriös sind und zu angemessenen Preisen anbieten: Der Immobilienmarkt als solcher ist sehr risikoreich; Immobiliennachfrage, Grundstückspreise und Mieten können sich (nach Jahren einer guten Konjunktur u.U. sehr überraschend) stark nach unten bewegen.

IV. 2. [SCHWÄCHERE HAUSHALTE BETROFFEN]

Zum erheblichen Risiko kommt bei den vorliegenden haustürvermittelten Vermögensanlagen hinzu, dass sie auf Kreditbasis finanziert werden, und zwar nicht bei Kapitalanlegern, die an sich vermögend sind und die Kreditfinanzierung nur aus steuerlichen Gründen wählen, sondern bei Personen, die nichts haben und aus diesem Grund den Kredit aufnehmen müssen. Dieses Moment der kreditierten Spekulation macht die Geschäfte besonders bedenklich und bringt sie in einen Bereich, in dem der Privatautonomie sittlich-rechtliche Schranken gesetzt sind. Denn bei risikoreich-spekulativen Verträgen, die schon mehr oder weniger aleatorische Züge tragen, wird stärker oder weniger stark die Wertung des § 762 BGB relevant: Wer spielt, mag den vorhandenen Einsatz verspielen; Spielschulden werden von der Rechtsordnung nicht als verbindlich anerkannt. Und insofern macht es sittlich-rechtlich auch einen wesentlichen Unterschied, ob es ein vermögender Anleger ist, der sich an einer „ Abschreibungs “-Gesellschaft oder einem sonstigen sehr risikoreichen Projekt beteiligt und der den etwa eintretenden Verlust tatsächlich „abschreiben“ kann, oder ob der Partner des Wagnisgeschäfts einer ist, der nichts hat, um den Minusposten des eventuellen späteren Verlusts auszugleichen, und mit diesem für die Zukunft belastet bleibt, zu Lasten seiner elementaren Bedürfnisse, eventuell sogar zu Lasten Dritter.

IV. 3. [LANGZEITBINDUNG]

Ein drittes Moment der vorliegenden Vermögensanlagen - in gewisser Weise mit dem Risikocharakter zusammenhängend, aber doch ein eigener Umstand, der dem Geschäft wiederum den Stempel der wirtschaftlichen Unüblichkeit und Unangemessenheit aufdrückt - ist die sich für den Anleger ergebende langdauernde Bindung. In dieser Hinsicht ist von Bedeutung, dass es sich aus der Sicht des Kunden, und so wird das Geschäft ausdrücklich angeboten, um einen Vertrag handelt, der der künftigen Vermögensbildung durch Aufbringung laufender Sparraten dient. Bei derartigen Anspar-Vermögensbildungen ist es üblich und selbstverständlich, dass sie für die Zukunft jederzeit beendet werden können; denn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können sich ändern, und dann muss die Entscheidung, wie das laufende Einkommen vorrangig zu verwenden ist, neu getroffen werden können. Dementsprechend sind Spar- und Bausparverträge nach den üblichen Vertragsbedingungen jederzeit kündbar, und für die Kapitallebensversicherung mit laufender Prämienzahlung ist in den §§ 165, 174, 178 VVG die jederzeitige Kündbarkeit sogar zwingend vorgeschrieben: eine wesentliche gesetzliche Wertung, die bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung gemäß § 138 BGB nicht außer Betracht bleiben kann (vgl. zur Berücksichtigung anderweitiger gesetzlicher Wertentscheidungen bei der Anwendung des § 138 BGB: Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 138 Rn. 41). Diese jederzeit freie Kündbarkeit aber ist bei den vorliegenden kreditfinanzierten Immobilienanlagen, die wirtschaftlich Ansparverträge sein sollen, nicht gegeben. Von den laufenden Kreditraten (den Zinsen und Tilgungsbeträgen bzw. Prämien der etwa geschlossenen Tilgungsversicherung) kann sich der Immobilienanleger mit Kreditfinanzierung nicht unmittelbar durch eine vorzeitige Kündigung befreien. Er kann nur versuchen, das von ihm erworbene Objekt, das finanziert worden ist, zu veräußern. Das ist aber, auch wo rechtlich keine Hindernisse bestehen (z.B. Erfordernis der Zustimmung der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft bei der Übertragung einer Immobilienfondsbeteiligung), häufig aus wirtschaftlichen Gründen stark eingeschränkt oder unmöglich, soweit nämlich die Immobilie oder der Gesellschaftsanteil nur mit erheblichem Verlust zu veräußern ist. Dann bleibt der Anleger mit seiner Verpflichtung zur Aufbringung der laufenden Sparraten (mit denen allerdings nur noch teilweise „gespart“ wird und ansonsten Verluste ausgeglichen werden) auf Jahre gebunden.

IV. 4. [GESCHÄFTLICHE UNERFAHRENHEIT]

Diese nach allem in der Regel von vornherein nachteiligen, allzu stark einengenden und auf jeden Fall äußerst riskanten Anlageverträge werden nun zwischen Parteien geschlossen, die, was geschäftliche Erfahrung, Beurteilungsvermögen und Fähigkeit zur Interessenwahrnehmung betrifft, in krassester Weise ungleich sind. Insoweit gibt die haustürgeschäftliche Werbung den Geschäftsabschlüssen das entscheidende Gepräge. Wie ausgeführt, sind die Haustürgeschäftskunden fast ausnahmslos Menschen aus einfachen Verhältnissen, denen kreditfinanzierte Immobilienanlagen völlig fern liegen und die die erheblichen Gefahren der für sie meist unsinnigen Geschäfte nicht im entferntesten ahnen und beurteilen können; Kapitalanleger, für die nach ihrer geschäftlichen Erfahrung und ihren Vermögensverhältnissen derartige Immobilienanlagen richtigerweise in Betracht kommen, wählen sich ihre Anlageberater selbst und würden sich auf diesbezügliche Haustürgeschäfte von vornherein nicht einlassen. Wer aber sind die Kontrahenten dieser unwissenden, gänzlich unvorbereiteten Kunden? Nicht etwa, was bei derart weitreichenden, komplizierten Verträgen unbedingt notwendig wäre, seriöse, auch bei einem eigenen Interesse am Vertragsschluss einigermaßen objektiv beratende Verhandlungspartner, wie es z.B. bei beratenden Bankmitarbeitern im allgemeinen vorausgesetzt werden kann (die Kreditinstitute halten sich hier aus dem Feld der Verhandlungen völlig heraus und prüfen und kontrahieren ausschließlich „aus der Ferne“). „Berater“ und Verhandelnde sind die typischen Haustürvermittler, die im Rahmen der „Strukturvertriebe“, für die sie tätig sind , was die Kundenüberrumpelung bei den vorliegenden Geschäften betrifft, bestens geschult und mit Argumentationsmaterial versehen sind (vgl. Fuellmich/Rieger, ZIP 1999, 427 , 430 f.) und die wegen ihres unmittelbaren Provisionsinteresses das Geschäft ohne Rücksicht auf die Belange des von ihnen „Beratenen“ um jeden Preis zustande bringen wollen. Der Kunde hat den verlockenden Anpreisungen dieser Vermittler (Prestigeargument „Immobilienbesitz“; Steuerersparnis; der Erwerber muss sich um nichts kümmern; alles wird durch einen über jeden Zweifel erhabenen Treuhänder erledigt; alles bankgeprüft; todsichere Vermögensanlage; jederzeit verkäuflich; Mietgarantie usw.; vgl. Fuellmich/Rieger a.a.O.), weil das außerhalb seiner Erfahrung liegt, nichts entgegenzusetzen. Ganz abgesehen von den hier gängigen betrügerischen Zusagen und Aufklärungsunterlassungen, die später, wenn es zur rechtlichen Auseinandersetzung kommt, mangels neutraler Zeugen in der Regel nicht nachweisbar sind.

ID: 40122
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 03.09.07
   
 

Erzeugt: 03.09.07. Letzte Änderung: 03.09.07.
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