verantwortliche-kreditvergabe
HOME   IMPRESSUM   DATENSCHUTZ   SITEMAP
Search OK

 
Home
Wucher: Restschuldversicherung und Effektivzins - Droht den Banken eine Prozesslawine? Ein unfähiges Urteil des Landgerichts Bonn und ein verfehlter Ratschlag an die Banken
"VERBRAUCHERPOLITISCHER SKANDAL"

Der "verbraucherpolitischer Skandal" (so der Titel in Bank und Markt Heft 3 März 2006, S. 28-33) um Restschuldversicherungsprämien, die bei vielen Banken nur über die Versicherer umgeleitete wucherverdächtige Kreditkosten sind, die diese Ihnen als Provision oder Überschussbeteiligung heimlich zurückerstatten, beherrscht weiterhin die Diskussion.

EIN SKANDALÖSES URTEIL DES LANDGERICHTS BONN


Dabei hat das Landgericht Bonn (Az 3 O 396/05) in seinem Urteil vom 10. Mai 2007 grundsätzlich anerkannt, dass solche umgeleiteten Restschuldversicherungsprämien den Kredit wucherisch machen können. Da das Gericht offensichtlich zu einer konkreten Berechnung nicht in der Lage war, haben wir es getan und kommen auf einen Effektivzinssatz von 32% bei angegebenenen 15,73% p.a. errechnet, der mindestens noch einmal um 8% auf über 40% erhöht werden muss, weil mit ihm in einer internen Umschuldung auch noch Prämien aus dem Vorkredit verloren wurden, so dass die Provision auch noch doppelt anfiel.

Das Gericht macht dann aber auch noch einen schweren juristischen Fehler. Es wendet die Freiwilligkeitsregel für die Regelung der Effektivzinsangabe der Preisangabenverordnung, die ja vom mündigen auswählenden Verbraucher ausgeht, auch auf den Wucher i.S. des §138 Abs.1 BGB an. Das würde bedeuten, dass "freiwilliger Wucher" in Zukunft nicht mehr verboten ist, was ja im Mietrecht ebenso wie beim Mindestlohn wunderbar englische Verhältnisse in Deutschland bescheren würde. Jeder Wucherer brauchte nur zu behaupten, der Verbraucher, Mieter oder Arbeitnehmer habe es ja gewollt und schon wäre die Ausbeutung der Armut in Deutschland bei denjenigen, die keine Entscheidungsfreiheit mehr haben, rechtmäßíg.

Im vorliegenden Fall hatte der Verbraucher gerade 8 Monate früher schon einen Kredit über 24.243,89 € mit einer Versicherungsprämie von beachtlichen 10.636,70 € abgeschlossen, zu der noch einmal rund 4000 € Finanzierungskosten hinzuzuzählen sind. Das Gericht gibt nicht einmal an, wie viel von dieser Prämie nach nur 8 Monaten Laufzeit zurückerstattet wurde. Wir schließen aus der Ablösesumme von über 25.000 €, dass die Bank hierfür ca. 6000 € einbehielt und dann die neue Versicherung für über 20.000 € effektive Kosten verkaufte. Dass das auch in Deutschland kein Wucher mehr ist, zeigt wie sehr sich die Verhältnisse zu 1981 verändert haben, als der Bundesgerichtshof die alte Rechtsprechung, wo starr über 30% p.a. als Wucher angesehen wurde, als unsittlich brandmarkte und die Grenze flexibel bei damals 20% setzte.

Ein Blick in die über 1000 Urteile zu §138 Abs.1 BGB seitdem hätte genügt, um die einhellige Meinung der Rechtsprechung zu ergründen, wonach ein "auffällige Missverhältnis", wie es das LG Bonn ja hier feststellt, eine unwiderlegbare Vermutung dafür enthält, dass die stärkere Partei ihre Marktmacht sittenwidrig ausgenutzt hat.

Eine solche "Verwechselung" darf einem deutschen Gericht nicht passieren, das dann zudem auch noch unfähig ist, die mathematische Struktur des Effektivzinssatzes zu begreifen, wenn es darüber nachsinnt, wie die Versicherungsprämien "bei den Kosten" einzurechnen wären. (Rdn. 59 ff) "Berechnet" wird gerade nicht nach den "Kosten" sondern nach den Gegenwartswerten der "Zahlungsströme". Das Gericht hätte also der Bank (oder einem Sachverständen, das kostet bei den Verbraucherzentralen mit dem Programm FinanzCheck, das das iff gerne auch allen Gerichten kostenlos zur Verfügung stellt ca. 80€) nur aufgeben müssen, den Effektivzinssatz auf der Grundlage aller Zahlungen des Kreditnehmers an die Bank und aller Zahlungen der Bank an den Kreditnehmer zu berechnen. Insoweit zitiert das Gericht den falschen Absatz des §6 PreisAngVO.

Deshalb dann auch der merkwürdige Satz, dass die Kammer einerseits "in diesem Fall die Beiträge zur Restschuldversicherung (vergessen werden die darauf entfallenden Zinsen d.Verf.) in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einbeziehen" würde, jedoch nur "wenn diese bei Abschluss des Darlehensvertrages zwingend vorgegeben war."

Dafür werden dann als Zeugen die beiden wucherischen Verkäufer (Schalterbeamte und stellvertretende Filialleiterin) gehört, die dann "glaubwürdig" versichern, unser Verbraucher, der insgesamt nur 1.000 € Bargeld zusätzlich bekam (alles andere waren bereits Kredite, die liefen) hierfür mindestens 10.000 Zusatzkosten bezahlen wollte.

Haben hier auch die Anwälte nichts vorgetragen? Solche Urteile sind wieder möglich, weil auch die Gerichte die neo-liberale Welle erreicht hat, wonach die Armen eben selber Schuld sind. Sie wollen es nicht anders, sie wollen arbeitslos, überschuldet, obdachlos und unfähig, für ihre Kinder zu sorgen, sein. Da offensichtlich auch kein Bundesland an der Deutschen Richterakademie mehr Kreditrecht anbietet, wie es einstmals wenigstens die SPD-regierten Länder noch taten, und die juristische Ausbildung einen großen Bogen um Mathematik, Praxis und Wirtschaft macht, werden wir nicht wissen, ob die Gerichte es nicht besser konnten oder anders beurteilten.

EINE SKANDALÖSE RECHTSLAGE BEI DER EFFEKTIVZINSANGABE

Lassen wir den Wucher beiseite. Es bleibt ja noch der andere Skandal, dass Verbraucher einen Kredit abschließen und dabei meinen, sie würden ihn mit einer Prämie versichern, in Wirklichkeit aber die Prämie an die Bank zurückfließt, weil die Versicherung nur einen Bruchteil dessen kosten, was der Versicherer auf Geheiß der Bank in die Police als Preis hineinschreiben muss, um die Verbraucher zu täuschen.

ALS PRÄMIEN AUSGEGEBENE ZINSEN STELLEN EINE UMGEHUNG VON VERBRAUCHERSCHUTZ DAR!

Dieses Verfahren ist scheinbar unangreifbar, verlangt doch die Preisangabenverordnung ebenso wie die EU-Richtlinie, die insoweit gerade bestätigt wurde, dass nur "verpflichtende Restschuldversicherungsprämien" einbezogen werden. Bisher hat noch keine Regierung und kein Gericht die Idee gehabt, dass es sich hier gar nicht um Prämien sondern um versteckte Zinsen handelt, wodurch das Preisangabenrecht i.S. des §502 BGB umgangen wird.

DIE ANDERE SEITE: ARTIKEL VON WIMMER IN DER BANKEN TIMES JUNI 2007


In einem Artikel der Banken Times von diesem Monat mit dem Titel "Wie teuer sind Verbraucherkredite?" rät Prof. Konrad Wimmer den Banken dringend, sich auf diese Freiwilligkeit zu konzentrieren, ansonsten müssten sie rückwirkend mit herben Verlusten rechnen. Er hat hierzu allen Grund hat doch die Stiftung Warentest festgestellt, dass wohl die Mehrheit der durch Provisionen und Punkte geköderten Bankangestellten den Abschluss des Vertrages vom Abschluss der Versicherung faktisch abhängig macht.

Wir zitieren Wimmer jeweils zu eigenen Überschriften:

FREIWILLIG ODER NICHT?

„Die Verbraucherzentralen machten jüngst Front gegen die auf Verbraucherkredite spezialisierten Banken. Sie monierten, dass die Kreditvergabe in zahlreichen Fällen ausdrücklich vom gleichzeitigen Abschluss einer so genannten Restschuldversicherung abhängig gemacht wurde - die Kosten dafür aber nicht im Effektivzinssatz angegeben worden waren. Der Verbraucher sei deshalb über die wahre Belastung getäuscht worden, schließlich sollte der Effektivzinssatz die tatsächlichen Kreditkosten zum Ausdruck bringen. Die kritisierten Banken berufen sich hingegen auf die gesetzliche Regelung, wonach die Kosten der Restschuldversicherung nur dann im Effektivzinssatz zu berücksichtigen sind, wenn die Kreditgewährung den Abschluss einer Restschuldversicherung zwingend voraussetzt (§ 6 Abs. 3 Ziffer 5 PAngV). Diese Koppelung bestreiten die von den Verbraucherzentralen attackierten Banken. Sie rechnen die Versicherungskosten nicht in den Effektivzinssatz ein, weswegen der Kredit vergleichsweise günstig zu sein scheint. Es kann an dieser Stelle dahingestellt sein, ob Bankkunden darüber aufgeklärt worden waren, dass der Abschluss der Restschuldversicherung keine Voraussetzung der Kreditvergabe sei oder ob sie sich einem faktischen Zwang ausgesetzt sahen.“

VERFEHLTE GESETZLICHE REGELUNG

„Das eigentliche Problem ist nämlich die für den Verbraucher bedenkliche gesetzliche Regelung, wie folgende Überlegung zeigt. Banken bepreisen heute bei der Kreditvergabe zu Recht das Ausfallrisiko, das von der Bonität des Kunden abhängt. Bonitätsschwache Kunden zahlen folglich einen höheren Kreditzins als bonitätsstarke Kunden. Der Risikoaufschlag fließt in den höheren Kreditzins ein und ist zweifelsfrei im Effektivzinssatz auszuweisen. Der Kunde zahlt im Ergebnis eine Risikoprämie an die Bank. Die Einrechnung in den Effektivzinssatz macht die wahre Belastung für den Verbraucher transparent. Schließt er hingegen zusätzlich zum Kreditvertrag eine Restschuldversicherung ab, die den Verbraucher (aber auch die Bank) gegen Tod, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit versichert, so fließen die Versicherungskosten nicht in den Effektivzinssatz ein. Diesmal sind die wahren Kosten also nicht transparent. Die gesetzliche Regelung ist damit nicht nur inkonsequent, da sie gleiche Sachverhalte ungleich behandelt, sie verfehlt v. a. ihren eigentlichen Zweck, den Verbraucher über die tatsächlich anfallenden Kreditkosten zu informieren.“

BEISPIEL

„Die Konsequenzen seien an einem einfachen Beispiel (vgl. dazu auch Wimmer: Moderne Bankkalkulation, 3. Aufl., Stuttgart 2006, S. 81-103) mit aktuellen Konditionen verdeutlicht: Der Kreditnehmer mit Geburtsdatum 1.1.1967 und einem festen Beschäftigungsverhältnis seit Januar 1987 wünscht einen Kredit über 20.000 € bei einer Laufzeit von 48 Monaten (erste Rate 30 Tage nach Kreditauszahlung fällig). Der Bankkunde zahlt 479,27 € pro Monat, der Effektivzinssatz wird richtig mit 7,27 % angegeben. Schließt er die Kreditlebensversicherung als Schutz gegen Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Todesfall ab, so erhöht sich die monatliche Rate auf 538,15 €. Der Effektivzinssatz wird gleichwohl unverändert mit 7,27 % angegeben. Tatsächlich wird die Versicherungsprämie als Einmalbeitrag i. d. R. mitfinanziert, d. h. sie erhöht den Kreditbetrag. Der Kreditnehmer erhält nach wie vor die 20.000 €, die Einmalprämie von rund 2.660 € geht an die Versicherung. Da auch auf die Einmalprämie Bearbeitungsgebühren (meist 2 %) und Kreditzinsen anfallen, verteuert sich der Kredit drastisch: Im Beispiel ergibt sich der Effektivzinssatz unter Einrechnung aller Kosten mit 13,98 %. Dennoch: Die Bank hat der gesetzlichen Vorgabe Genüge getan, da sie die Versicherungskosten nicht einrechnen muss."

RAT AN DIE BANKEN

"Gleichwohl ist den betroffenen Banken anzuraten, alle Zweifel daran auszuräumen, dass der Abschluss der Restschuldversicherung obligatorisch sei. Andernfalls wäre der Effektivzinssatz falsch ausgewiesen worden mit der sehr unangenehmen Konsequenz (§ 494 Abs. 2 und 3 BGB): der Kreditzinssatz wäre in der Höhe zu reduzieren um den der „falsche“ Effektivzinssatz unter dem „richtigen“ Effektivzinssatz liegt (im Beispiel also um 13,98 % - 7,27 % = 6,71 %). Allerdings wird der gesetzliche Zinssatz (4 %, § 246 BGB) die Untergrenze darstellen."


UNSER RATSCHLAG AN DIE BANKEN

Wir möchten im Interesse fairer Bankgeschäfte und der Vermeidung von weiterem Vertrauensverlust gegenüber allen Banken dringend anraten, entweder dem Beispiel von ING-Diba und faktisch vieler Sparkassen zu folgen und auf die Restschuldversicherungen zu verzichten oder aber neue Produkte zu entwickeln und zu verkaufen, die fair, transparent sind und nicht mehr die Notlage armer Verbraucher in Deutschland ausnutzen.

Im Rahmen von ECRC führen wir zur Zeit die Kampagne in drei Ländern gleichzeitig, in Frankreich über Que Choisir, in Deutschland über die Verbraucherzentralen und in England über Debt on Our Doorstep. Deshalb ist der Sieg bei der von der deutschen Präsidentschaft durchgesetzten neuen Konsumentenkreditrichtlinie sicherlich nur vorübergehend. Marktwirtschaft ist besser als ihr Ruf und wird sich wie schon öfter in der Geschichte gegen die immer wieder aufkommenden Wucherer wehren.

ID: 39845
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 21.06.07
   
 

Erzeugt: 21.06.07. Letzte Änderung: 27.06.07.
Information zum Urheberrecht der angezeigten Inhalte kann beim Institut für Finanzdienstleistungen erfragt werden. Aus fehlenden Angaben kann kein Recht zur freien Nutzung der Inhalte abgeleitet werden.