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Finanzielle Allgemeinbildung – Zehn Thesen des iff
  1. Finanzielle Allgemeinbildung ist die kritische und an den Bedürfnissen der Nutzer orientierte Vermittlung von Allgemeinwissen, Verständnis und sozialer Handlungskompetenz im Umgang mit auf Kreditmöglichkeiten aufgebauten Finanzdienstleistungen, die die Menschen außerhalb ihrer beruflichen Sphäre für sich selber benutzen, um Einkommen und Ausgaben, Arbeit und Konsum während ihrer Lebenszeit sinnvoll miteinander zu verbinden.

  2. Der Bildungsprozess geht davon aus, dass der zu bildende Bürger als mündiger Verbraucher eine aktive Rolle bei der Nutzung der Möglichkeiten einer Geldwirtschaft besitzt und mit dafür verantwortlich ist, dass die Wirtschaft demokratische Chancen in einem transparenten Wettbewerb eröffnet. Die Bildung soll dazu dienen, die Verbraucher dazu zu befähigen, ihre Verantwortung in und für die Wirtschaft wahrzunehmen, indem sie darauf einwirken, dass die Wirtschaft mit ihren Finanzdienstleistungen zur produktiven Lebens- und Krisengestaltung beiträgt, so dass die Effektivität des Verbraucherrechts und ethisch verantwortliches Handeln wichtige Lernziele sind.

  3. Finanzielle Allgemeinbildung ist ein wechselseitiger Lernprozess. Nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Anbieter lernen in diesem Prozess. Deshalb ist er als ein Kommunikationsprozess zu organisieren, der die Aspekte der Wirtschaftlichkeit mit den Aspekten der Nützlichkeit der Finanzdienstleistungen verbindet.

  4. Finanzielle Allgemeinbildung muss gruppen- und situationsspezifisch entwickelt werden. Im Mittelpunkt stehen Haushalte mit spezifischen Einkommens- und Verbrauchsmustern sowie in bestimmten Lebenssituationen, die mit Hilfe von Finanzdienstleistungen mit ihrem laufenden Einkommen die laufenden Ausgaben für sich und ihre Familie bestreiten müssen. Sie brauchen transferierbares Wissen und Kompetenzen und keine allgemeinen Belehrungen. Anbieter müssen dabei lernen, geeignete Finanzdienstleistungen zu entwickeln, die angemessen, transparent, verständlich und angepasst mit der notwendigen Beratung verbunden sind.

  5. Die Inhalte zur finanziellen Allgemeinbildung stellen ein öffentliches Bildungsgut dar, das nach den Prinzipien der Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung entwickelt werden sollte. Anbieter haben eigene Interessen und Denkweisen in der durch ihre Werbung vorgeprägten ökonomischen Bildung. Sie sollten daher unabhängige Wissenschaft betrauen und die Verbraucherverbände sowie den Bildungssektor an der Arbeit beteiligen, um die Nachhaltigkeit ihrer Bestrebungen zu gewährleisten. Forschungen im Auftrag der Anbieter sind notwendig, Auftragsforschung, die die Ergebnisse festlegt, dagegen nicht.

  6. Finanzielle Allgemeinbildung verlangt qualitative Inhalte und qualitatives Lernen. Quantitative Angaben zur Häufigkeit der Probleme, des (Un-)Wissens oder zur Komplexität der Materie sind weder sinnvoll noch möglich in einem Bildungsprozess, der das zu Erlernende am Gegenstand der Finanzdienstleistungen erst entwickelt.

  7. Finanzielle Allgemeinbildung vermittelt kritisches Bewusstsein darüber, wie Finanzdienstleistungen auf die spezifische Haushaltslage einer Familie einwirken.

  8. Finanzielle Allgemeinbildung umfasst alle Dimensionen der Nutzung von Kapital durch private Haushalte zu Konsumzwecken. Weder Gestaltung noch Kosten und Belastungen der Finanzdienstleistungen stehen fest. Es gibt zudem Alternativen zu kommerziellen Finanzdienstleistungsangeboten im öffentlichen Bereich ebenso wie bei Eigenarbeit und Eigenvorsorge sowie Alternativen bei Finanzdienstleistungen, die situationsgerechter gestaltet sein könnten. Zur Bewertung von Finanzdienstleistungen muss das traditionelle Dreieck von Rendite, Liquidität und Risiko zu einem Fünfeck von Sicherheit, Zugang, Liquidität, Rendite und sozialer Verantwortlichkeit ("SALIS") ergänzt werden. Der Zugang zum Produkt muss für alle davon Angesprochenen durch nicht diskriminierende Bereitstellung sowie durch Transparenz und Beratung zu dem beworbenen Produkt sichergestellt sein. Dies ist eine wichtige Qualität der Finanzdienstleistung. Auch die Herausforderung der Zukunft, dass der Einzelne nicht mehr allein, sondern nur durch gemeinsame Anstrengung die Rahmenbedingungen seine Konsums verbessern kann, sind auch in der am Kriterium der sozialen Verantwortlichkeit orientierten Produktevaluation kenntlich zu machen.

  9. Finanzielle Allgemeinbildung orientiert sich an den Handlungs- und Informationsinteressen der Lernenden. Der Bildungsprozess erfolgt dort, wo das Wissen über Finanzdienstleistungen in Schule, Ausbildung und häuslicher Praxis unmittelbar abgefragt, relevant oder bereits direkt oder indirekt vermittelt wird. Es bedarf keines besonderen Faches in der Schule, keines Bildungsganges Finanzdienstleistungen in der Weiter- bzw. Erwachsenenbildung. Bildung findet überall dort statt, wo über Finanzdienstleistungen informiert wird, sei es im Mathematikunterricht der Schule bei der Zinsrechnung, am Bankschalter oder in der Werbung, sei es in der Finanz- oder Schuldnerberatung, bei der Berichterstattung in den Medien oder in Gruppenberatungen zur Baufinanzierung oder Altersvorsorge in Verbraucherzentralen oder Volkshochschulen.

  10. Finanzielle Allgemeinbildung zielt anders als die Werbung und Beratung nicht auf Produktwissen ab, sondern vermittelt Produkte nur und insoweit, wie ihre Kenntnis und ihr Verständnis notwendig ist, um das Verständnis für die Grundelemente der Geldwirtschaft wie Kapital, Zeit, Risiko, Vermittlung und Transport zu vermitteln. Mit einfachen und klaren Orientierungen an den Grundprinzipien der Geldwirtschaft soll finanzielle Allgemeinbildung als Kompetenz zur marktmäßigen Vermittlung eigener Bedürfnisse gelernt werden. Vor allem die Funktion des Geldes zwischen Konsum und Arbeit und die Bedeutung von Zeit und Risiko sowie die Arten der Finanzdienstleistungen nach Vermittlung (Provision), Diensten ("Gebühren") und Kapitalüberlassung auf Zeit (Zinsen) müssen verstanden werden. Geld ist in diesem Prozess nie Zweck, sondern nur Mittel zur Erreichung weiterer qualitativer Ziele. (Hamburg, den 11.12. 2004)

(Udo Reifner)


ID: 39717
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 01.01.08
   
 

Erzeugt: 15.05.07. Letzte Änderung: 05.11.12.
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