Verantwortliche Kreditvergabe, Überschuldung, Musterfälle iff-Aktion |
iff-Infobrief |
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt immer weniger Prozesse um wucherverdächtige Kredite. Das iff wie wohl viele Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen wissen aber, dass die Fälle zunehmen. In den wenigen Fällen, die uns erreichen, können wir nicht helfen, weil die Betroffenen keine Gerichtsverfahren anstrengen können. Das Verhalten der Anbieter wird erschreckend sorglos, ja, man meint manchmal sogar das Erstaunen herauszuhören, dass ihnen niemand mehr Einhalt gebietet. In dieser Situation haben wir folgende Aktion in Erwägung gezogen, die wir zur Diskussion stellen wollen.
Wenn Sie sich daran beteiligen wollen entweder an der Aktion selber oder durch Nennung der Fälle, dann würden wir uns sehr freuen. Wenn sich mehr Stellen beteiligen, könnten wir auch ein neutrales gemeinsames Spendenkonto benennen.
Das iff würde dann mit Gutachten und Prozessbegleitung dafür sorgen, dass auch Rechtsfortbildung in diesem Bereich wieder möglich ist.
Mit freundlichen Grüssen
Udo Reifner
Verantwortliche Kreditvergabe
Übernehmen Sie die Patenschaft für einen Wucherfall!
Eine Aktion der … und des instituts für finanzdienstleistungen e.V.
2,5 Millionen Haushalte sind in Deutschland überschuldet. Weit mehr haben mehr Schulden, als sie jemals werden zurückbezahlen können, weil ihre Kredite ständig umgeschuldet und dabei erhöht werden und somit so ein immer größerer Teil ihres Einkommens nur noch in Zinsen fließt. Geldsorgen drücken heute viele Haushalte und die scheinbaren Hilfen des Kreditsystems haben sich für viele zum Fluch entwickelt. Geld und Kredit, einmal erfunden, um den Menschen Austausch und Verteilung auch über die Zeit zu erleichtern, droht zum eigenständigen Lebewesen zu werden, das vielen Menschen die Existenz streitig macht. Diese Entwicklung zur Geldgesellschaft ist nicht gottgegeben. Staat und Recht haben die Aufgabe, die Kreditgeber und ihre Instrumente zu überwachen und ihren Nutzen zu garantieren. Richtschnur ist das Rechtsprinzip der verantwortlichen Kreditvergabe. Seine Einhaltung verlangt Beobachtung, Analyse, Argumente, Öffentlichkeit und gerichtliche Aktion. Das iff möchte dieses Prinzip in der Gesellschaft besser verankern, an seinen Verletzungen Lernprozesse orientieren und damit für eine bessere Wirtschaft eintreten. Sie können dabei helfen.
A Verantwortliche Kreditvergabe – in Brüssel und im BGB
Die Europäische Kommission hatte in ihrem ersten Entwurf zu einer neuen Konsumentenkreditrichtlinie von 2002 das Prinzip der verantwortlichen Kreditvergabe verankert, allerdings hierzu keine Sanktionen genannt. In dem letzten Entwurf von 2004 war dieses Prinzip zwar weiter vorhanden, jedoch darauf reduziert, dass Kreditgeber auf der Grundlage der in dem Kreditantrag gemachten Angaben eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen haben. Damit wird das Prinzip lächerlich gemacht.
Unsere Rechtsprechung kennt dagegen eine Vielzahl materieller Entwicklungen hin zu diesem Prinzip. Dazu gehört insbesondere das vom OLG Stuttgart entwickelte Prinzip der wissentlichen Überschuldung, dem im englischen Recht das Prinzip des Reckless Lending und im amerikanischen Recht das Prinzip der unconscionable credit extension entspricht. Auch das französische und das italienische Recht haben entsprechende Zivilrechtsprinzipien, die zu einem Schadensersatzanspruch wegen rücksichtslosem Verhalten führen.
A.I Verantwortliche Kreditvergabe im BGB
Seit der Schuldrechtsreform hat auch das Bürgerliche Gesetzbuch in §241, Absatz 1, Satz 2 die Verpflichtung verankert, Rücksicht auf die Interessen des anderen Vertragspartners zu nehmen.
A.I.a Wucherschutz
Bereits in § 138, Absatz 2 BGB, der unter Juristen als der Wucherparagraph bekannt ist, heißt es:
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich, oder einem Dritten für eine Leistung von Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Die Rechtsprechung hat bereits 1981 erkannt, dass der Absatz 2 nur ein spezieller Fall des allgemeinen Prinzips des Absatz 1 bedeutet, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Insbesondere kann sich seit dieser Rechtsprechung kein Kreditgeber mehr hinaus reden, er habe es doch nicht absichtlich getan. Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass das Merkmal der Ausbeutung in Absatz 2 heute in dieser Weise veraltet ist und es deshalb ausreicht, dass sich Kreditgeber trotz vorliegend ausreichender Informationen der Einsicht verschließen, dass sie objektiv die Problemlage eines anderen ausbeuten. Dieser so genannte soziale Wucher ist die Grundlage für das Verbot rücksichtslosen Verhaltens.
Im Einzelnen kennt unser BGB noch eine erhebliche Anzahl von Ausprägungen dieses Wucherverbotes. So ist es in § 248 ebenso wie in § 289 verboten, Zinseszinsen zu nehmen und damit Verschuldungspyramiden aufzubauen. In § 497 BGB sind erhebliche Einschränkungen enthalten, die Kreditgeber daran hindern, bereits Zahlungsunfähig gewordene Verbraucher besonders zu belasten. So dürfen die dann genommenen Zinssätze nicht höher als 5% über dem Basiszinssatz, also zurzeit nicht höher als 7% sein, auch wenn der Vertragszinssatz weit darüber lag. Zahlt ein Verbraucher, dessen Kredit gekündigt wurde, an den Kreditgeber zurück, so muss damit erst das Kapital getilgt werden, damit nicht weiter Zinsen anfallen. Die rückständigen Verzugszinsen dürfen dann nur noch mit 4% verzinst werden. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung bei Kettenumschuldungen festgestellt, dass ein Kreditnehmer, der in seiner spezifischen Situation mehr Geld braucht oder für den eine Rate zu hoch ist, nicht dadurch ausgebeutet werden darf, dass man ihm eine für den Kreditgeber äußerst profitable Umschuldung aufschwätzt. Für die besonders problematische Kreditvermittlung hat der Gesetzgeber in §655c, festgelegt, dass eine Vermittlervergütung nur geschuldet wird, wenn ein Darlehen auch wirklich ausgezahlt und widerrufsfrei zurück gefordert werden kann. Außer der Provision sind weitere Nebenentgelte verboten (§ 655d BGB). In § 655c Satz 2 BGB hat der Gesetzgeber sogar bestimmt, dass Umschuldungen, die ein Kreditvermittler vermittelt und die zu einem höheren Effektivzinssatz führen, ihm keinen Provisionsanspruch verschaffen. Wenn auch hier die falschen getroffen wurden, weil an den Umschuldungen vor allen Dingen die Banken verdienen, so zeigt der Gesetzgeber doch deutlich, dass er das Problem der Umschuldung erkannt hat.
Mit der neuen EU-Diskriminierungsrichtlinie, die in deutsches Recht umgesetzt wird, ist auch eine unterschiedliche Behandlung der Verbraucher nach bestimmten Merkmalen verboten. Zwar ist Armut hier nicht als Kriterium genannt, gleichwohl wird auch die Diskriminierung wegen geringem Einkommen und Armut rechtlich zum Problem, wo bestimmte Gruppen, wie z. B. allein erziehende Frauen, Behinderte, Hausfrauen ohne eigenes Einkommen systematisch diskriminiert werden.
A.I.b Warnung vor Überschuldung im Gesetz
Schließlich hat der Gesetzgeber mit seinem Widerrufsrecht in § 495 BGB bei allen ratenweise rückzahlbaren Konsumentenkrediten deutlich gemacht, dass er der Schuldenfreiheit Vorrang gegenüber einer im Affekt erfolgten Vertragsbindung einräumt. Dasselbe gilt auch für das Widerrufsrecht auf dem Internet. Mit dem Erfordernis, dass Kreditverträge ebenso wie Bürgschaften nur durch eigenhändige Unterschrift abgeschlossen werden können, legt der Gesetzgeber fernerhin im § 492 fest, dass der Kredit per Mausklick verboten ist. Auch wenn die Europäische Kommission dies jetzt in ihrem letzten Entwurf einer Konsumentenkreditrichtlinie ändern will und zugleich noch den Kreditkartenmarkt frei gibt, so gehört dieses Prinzip der Schriftlichkeit als Schutz gegen Überschuldung zu den wesentlichen kulturellen Inhalten des deutschen Zivilrechts. Nimmt man noch die vielen Warn- und Informationspflichten hinzu, nach denen gem. § 492 BGB dem Kreditnehmer seine gesamte Belastung in EURO ausgedrückt vor Augen geführt werden muss und alle einzelnen Kostenbestandteile aufzuzählen sind, so wird das große Instrumentarium unseres Zivilrechts deutlich, dass die schon seit der Bibel und Aristoteles als gefährlichste Form der Not gegeißelte Überschuldung und Zinsabhängig in geordneten Bahnen zu halten ist.
A.I.c Recht zur Entschuldung
Das Recht, jederzeit seine Schulden tilgen zu können (§ 504 BGB) bzw. vorzeitig seine Kreditverpflichtungen kündigen zu dürfen (§ 489 BGB) ist daher nur die Konsequenz. In beiden Fällen sollen durch keine Strafen und Gebühren die Verbraucher stärker belastet werden, wobei der Bundesgerichtshof sogar seinerzeit 15 € zum damaligen allgemeinen Kündigungsrecht auch langfristiger Hypothekenkredite nach § 247 BGB für unzulässig hielt. Auch dieses Prinzip ist nun in Gefahr, weil in dem neuen Entwurf einer Konsumentenkreditrichtlinie die Europäische Kommission den Kreditgebern gestatten will, bei vorzeitiger Rückzahlung ein „angemessenes Entgelt“ zu nehmen, nachdem sie bisher umgekehrt eine angemessene Rückerstattung nicht verbrauchter Zinsen verlangt hatte. Wie groß der Hunger der Kreditgeber nach einem angemessenen Entgelt sein kann, wenn es ihnen denn erlaubt wird, zeigt der Hypothekenkredit, wo Häuslebauer, die nach vier Jahren feststellen, dass sie mit ihrem Vorhaben gescheitert sind und das Haus nicht weiter finanzieren können, bis zu 20% Strafe gerechnet nicht auf die bisherigen Kosten sondern auf die gesamte Restsumme des Kredits bezahlen müssen, um allein aus dem Kreditvertrag wieder herauszukommen. Diese skandalösen
Vorfälligkeitsentschädigungen, die in Deutschland bis zu 6-mal höher sind als in den umliegenden Ländern, wobei die Kreditgeber in den USA überhaupt keine Vorfälligkeitsentschädigungen verlangen, sondern dem Verbraucher die freie Wahl der Anbieter lassen, ist bisher vor den Gerichten nicht anfechtbar.
A.II Die Ursachen der Überschuldung
Schaut man sich die aktuelle Praxis in der Verschuldung an, so schreibt selbst eine Zeitung wie die Süddeutsche, dass man gegen Überschuldung nichts machen könne, weil die eigentlichen Ursachen, wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Ehescheidungen und ähnliches mehr seien, die nun mal zurzeit hoch sind. Anderseits dürfe man die Banken mit Vorsichtspflichten nicht zu sehr belasten, weil dies angeblich unsere wirtschaftliche Entfaltung hemme. Diese Argumentation ist nicht nur falsch, sondern auch dumm, weil Arbeitslosigkeit, Krankheit und Ehescheidung in allen Ländern und überall vorkommen und es von dem Kreditprodukt abhängt, inwieweit sie zu dem Ruin des Kreditnehmers führen. Länder wie Finnland oder Frankreich kennen hier umfangreiche Anpassungsregeln durch den Richter. Nicht die Arbeitslosigkeit schafft die Überschuldung, sondern unflexible Kreditprodukte, die so verkauft werden, als ob es keine Arbeitslosigkeit und Krankheit gibt und dann auch noch fingieren, der Kreditnehmer verhalte sich Vertragswidrig und damit vorwerfbar, wenn er Schwierigkeiten mit den Raten bekommt. So moralisch geächtet erscheint es logisch, ihn mit allen möglichen Schikanen wie Gesamtfälligkeit, Verzugszinsen, Vollstreckungsmaßnahmen und Inkassokosten zu bestrafen.
Die Auffassung, dass ein freier Markt mit unbegrenzten Verdienstmöglichkeiten der Banken zu wirtschaftlicher Produktivität und Wohlstand für alle führt, ist absurd. Wer sich heute anschaut, wie die Milliardengewinne der Banken, schon vier Jahre nach dem sie praktisch im gesamten Kapital- und Immobilienmarkt Unsummen verloren haben und abschreiben mussten, wieder blüht, der mag ermessen, welche tatsächliche Wirkung das Banken- und Kreditgeberverhalten zurzeit auf die so dringend benötigte Verbrauchernachfrage ausübt. Statt das Geld bei Waren- und Dienstleistungen auszugeben und die Binnennachfrage zu fördern, tragen viele Verbraucher ihre letzten Cents zum Kreditgewerbe, das diese Beträge dann keineswegs in Deutschland, sondern in anderen Ländern oder einfach nur auf dem Geldmarkt selber investiert, wo es sich dann vermehrt, ohne irgendeinen rein wirtschaftlichen Nutzen zu erzeugen.
A.II.a Die Schwächung des Schutzrechtes
Die aktuellen Praktiken vieler Kreditgeber haben folgende Charakteristika:
Die rechtlichen Vorschriften im Zivilrecht werden immer weniger respektiert. Dies liegt daran, dass die Rechtsprechung immer zahnloser geworden ist. So hat der Bundesgerichtshof das Widerrufsrecht bei Immobilienfinanzierungen bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt, Schadensersatzansprüche wegen wissentlicher Überschuldung gibt es praktisch nicht mehr, dass Prozesskostenhilfeverfahren, einstmals eine Waffe der Ärmsten um an ihr Recht zu kommen, ist zu einer Ablehnungsmaschinerie geworden, der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass die Verbraucher gar nicht mehr informiert werden brauchen, wenn nur der Vermittler, der nach der früheren Rechtsprechung nichts anderes als ein verlängerter Arm der Bank ist, Bescheid wusste. Notare, die bei Nacht und Nebel Verträge anfertigen, gelten als vertrauensvolle Berater der Verbraucher. Die Wuchergrenze ist für Kleingewerbetreibende und den Mittelstand praktisch aufgehoben worden. Bei Immobilienkrediten liegt sie in astronomischen Höhen. Kettenkredite gehen unbesehen durch die Gerichte. Eine Überprüfung des effektiven Jahreszinses findet nicht statt, weil die Richter aus ihrer Unfähigkeit zu rechnen die Konsequenz gezogen haben, dass solche Überprüfungen nicht mehr notwendig sind. Insbesondere Kombinationsfinanzierungen, wo Kosten in Nebenprodukten versteckt und mit bis zu 16-fach teuere Restschuldversicherungen faktisch aufgezwungen werden, finden in der Rechtsprechung keine Beanstandung. Der BGH verfolgt eine klare Trennungstheorie, die es ins Belieben der Kombinationsfinanzierer stellt, welchen Kreditzins sie ausweisen wollen. Der Wucherparagraph ist tot und die Gerichte sind zu Notaren derjenigen Kreditgeber geworden, die solche wucherische Kreditvergabe pflegen.
Auch die Bundesregierung hat hier merkwürdige Wendungen vollbracht. Von ihren in der Opposition propagierten Vorschlägen zur Wuchergrenze, zum Mindestgirokonto, zur Verbraucherinsolvenz ist wenig bis nichts geblieben. Der Armuts- und Reichtumsbericht, für das auch der Verfasser ein Kapitel über die Mitverantwortung der Kreditgeber an der Verarmung und der Armutsschere in der Gesellschaft geschrieben hat, enthält keinerlei Hinweise mehr, dass auch die Wirtschaft bei der Armut Mitverantwortung trägt und beim Kampf gegen Wucherer gefragt ist. Es wird so getan, als ob man mit Sozialhilfe das Armutsproblem lösen könne.
A.II.b Abbau der Schuldner- und Kreditberatung
Die für den Schutz der Verbraucher zuständigen Institutionen wie insbesondere die Verbraucherzentralen und die Schuldnerberatungsstellen werden weiter entmachtet und an ihrer Arbeit gehindert. So hat die erste Verbraucherzentrale in Mecklenburg-Vorpommern wegen ihrer Mittelkürzung Konkurs anmelden müssen. Die Bremer Zentrale meldet ebenfalls Alarm. Viele Verbraucherzentralen entgehen dem Konkurs nur dadurch, dass sie all die Tätigkeiten, die keine ausreichenden Einkommen aufweisen und nicht in der Öffentlichkeit so sichtbar sind, einstellen. Das bedeutet, dass insbesondere die Kreditberatung für Überschuldete erheblich eingeschränkt worden ist. Stattdessen blüht der Verbraucherschutz für diejenigen, die etwas haben, wie insbesondere im Bereich der Altersvorsorge, der Kapitalanlage und des Investment.
Bei den Schuldnerberatungsstellen haben die Länder dafür gesorgt, dass das Entgeltsystem so umgestellt wurde, dass für eine Überprüfung von Krediten und eine präventive auf die Kreditgeber ausgerichtete Schuldnerberatung kein Geld und keine Zeit mehr vorhanden sind. Schon jetzt sind die Listen bei den Schuldnerberatungen zur Erreichung der Verbraucherinsolvenz überlang und Wartezeiten von einem Jahr sind keine Seltenheit. Gleichzeitig besteht ein erheblicher Falllösungsdruck, wobei die Schuldnerberatungen gezwungen werden, zu Insolvenzabwicklungsmaschinen zu werden: je mehr Fälle, desto besser. Richtig ist, dass auch Schuldnerberatungsarbeit rationell und überprüfbar geleistet werden muss. Falsch aber ist, dass man die Überschuldung dadurch bekämpft, dass man möglichst viele Schuldner durch das Insolvenzverfahren schleust. Die Amerikaner haben nach leidvollen Erfahrungen und 1,5 Millionen Verbraucherkonkursen pro Jahr daraus den Schluss gezogen, dass
Verbraucherinsolvenzverfahren für die meisten Überschuldeten zu schließen. Damit ist die letzte Hoffnung für die Armen dort begraben worden, die der Supreme Court einmal aus der amerikanischen Verfassung mit dem Grundrecht auf Hoffnung ableitete. Schuldenprävention gibt es in den USA ohnehin nicht. Zwischen Kreditkartenflut und Inkassounternehmen wird das untere Drittel der Bevölkerung dort ge- und erpresst.
Man muss die Überschuldung dort thematisieren, wo sie entsteht und dies ist nicht die Arbeitslosigkeit, weil die Arbeitslosigkeit nicht zum totalen Einkommensverlust sondern nur zur Einkommensverminderung führt. Dies ist vielmehr das Kreditsystem, das aus der aktuellen Not in der Bevölkerung immer noch Kapital schlägt und jetzt Traumrenditen im Ratenkredit erzielt, die man auf den internationalen Geldmärkten längst nicht mehr erzielen kann.
B Aktion für verantwortliche Kreditvergabe
Wie kann man in dieser Situation wieder etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Ursachen der Überschuldung lenken, wie kann man in dieser Situation die Europäische Kommission in Brüssel und den Ministerrat stoppen, die die letzten nationalstaatlichen Regeln mit Totalharmonisierungsstrategie aushebeln wollen, wie kann man gewährleisten, dass der Kulturschatz an Wucherverboten, Zinseszinseinschränkungen und Entschuldungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches erhalten bleibt und auch gegen eine Rechtsprechung geschützt wird, die zumeist wegen der Komplexität der Sachverhalte sich zu dem Prinzip bekennt, dass alles was von den Kreditgebern in den Vertrag hineingeschrieben wurde, auch rechtens ist?
Das iff, das seit nunmehr 22 Jahren, wenn man die Vorbereitungszeit des Konsumentenkreditprojektes von 1983 bis 1987 hinzurechnet (das iff wurde 1987 als Folge dieses Projektes gegründet), möchte hierzu einen kleinen Beitrag leisten.
Wir haben uns das Vermächtnis des Vaters der Überschuldungsforschung, dem Freund des iff, David Caplowitz verschrieben, der in verschiedenen Aufsätzen und Büchern immer wieder zum Ausdruck brachte, dass sein Lebenswerk darin bestehen solle, die Banken für die Zerstörung von Familien zur Verantwortung zu ziehen. Hierzu hat der Soziologe Caplowitz sogar noch im hohen Alter Jura studiert und sich als Anwalt in New York niedergelassen, wurde aber durch seine schwere Krankheit an der Ausführung gehindert.
B.I Aufgreifen von Fällen
Deshalb haben wir uns vorgenommen, wenigstens einmal im Jahr einen Musterfall der Überschuldung, der normalerweise in der Sozial- und Insolvenzmaschinerie untergehen würde, genau zu analysieren und den Fall vor Gericht zu bringen, um damit die Praktiken die in jedem dieser Fälle deutlich werden, nicht nur Öffentlichkeitswirksam vorzutragen, sondern auch zu versuchen, die Richter damit zu konfrontieren, dass es Prinzipien der verantwortlichen Kreditvergabe in unserem Zivilrecht gibt und diese Prinzipien auch angewandt werden müssen.
Hierzu wollen wir die Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen unterstützen, die uns entsprechende, gravierende Fälle überschuldeter Verbraucher nennen, für die wir dann ohne dass die Verbraucher oder die Schuldnerbratungsstelle bzw. Verbraucherzentrale finanziell belastet werden, eine Aufbereitung des Falles vornehmen werden und mit Anwälten mit denen wir zusammen arbeiten, diese Fälle vor den Gerichten geltend machen.
Kriterien für die einzureichenden Fälle sind dabei:
1. ein möglichst komplexes Überschuldungsgeschehen, bei dem zumindest gefühlsmäßig die Berater der Meinung sind, dass hier eine Reihe von Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten in Erscheinung getreten sind und es sich daher lohnt, diese Fälle zu analysieren.
2.Ein dahinter liegendes Schicksal etwa von Familien mit Kindern oder Alleinerziehenden oder Alleinstehenden, das deutlich durch diese Überschuldung geprägt worden ist.
3. Fälle, in denen entweder die Schulden noch bestehen oder aber die so kurzfristig sind, dass die durch die Schuldrechtsreform drastisch verkürzten Verjährungsfristen zum Schutze der Kreditgeber nicht greifen.
B.II Bearbeitung der Fälle
Wir werden dabei wie folgt vorgehen:
1. diese Fälle eingehend mit unseren Rechenprogrammen, insbesondere dem Programm „Finanzcheck“ sowie mit dem Schuldenberatungsprogramm zur Liquiditätsanalyse „CAWIN“ analysieren, die Hintergründe der beteiligten Kreditgeber und Kreditvermittler eruieren, die gesamte Situation rechtlich begutachten und Klageschriften entwerfen, wobei ein gemeinsames Verklagen verschiedener Kreditgeber und Vermittler neben einem parallelen Verklagen möglich ist.
2. alle Informationen auf unserer Website http://www.verantwortliche-kreditvergabe.net/ im Internet freizugänglich halten und mit Presseerklärungen den Fall begleiten.
4. Schlüsse für Gesetzgebung und Beratungspraxis ziehen, die in allgemeinen Empfehlungen für Kreditberatung und Schuldnerberatung sowie für die Anwaltschaft münden, damit sie kostengünstig und effektiv mehr solche Fällen vor Gericht bringen können.
5. dafür sorgen, dass innerhalb dieses Prozesses auch Überschuldete wieder Selbstbewusstsein erlangen und merken, dass ihre Mit- und Zusammenarbeit notwendig ist, damit wir in dieser Gesellschaft Missstände abstellen. Die zunehmende Moralisierung der Überschuldung zu Lasten der Überschuldeten selber, denen man die Schuld am eigenen Verhalten aufbürden möchte, trifft nachweislich in über 80% der Fälle nicht zu und es ist eine Schande, diese 80% Menschen, die ohne eigenes Verschulden und durch unverantwortliche Kreditvergabe belastet worden sind, wegen der in allen Bereichen unseres Lebens immer bestehenden Missbrauchsfälle und schwarzen Schafe diffamiert werden.
B.III Finanzierung der Aktion - Spendenaufruf
Das iff ist ein gemeinnütziger Verein und lebt ausschließlich von den Einnahmen seiner Arbeit. Es hat kein Eigenkapital, erhält keine staatlichen Zuschüsse und hat keine Gönner. Es ist das einzige Institut seiner Art auf der Welt und überlebt nur, weil es mit einer extrem sparsamen Kostenstruktur und einer großen Hingabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Arbeit neben den Forschungsarbeiten viele kleine Aufträge ausführt. Wir können daher aus eigenem Kapital nicht solche Arbeitsleistungen zur Verfügung stellen. Daher ruft das iff dazu auf, Spenden zur Ermöglichung dieser Musterprozesse einmal pro Jahr zu zahlen. Das iff ist als gemeinnützig anerkannt und die Spenden sind Steuerabzugsfähig, so dass den Gutverdiener 1000 € Spende nur 580 € kosten. Es kann also ein erheblicher Mehrwert erzielt werden. Dieser Mehrwert geht weit über den gelösten Einzelfall hinaus. Es wird die Verbraucher- und Schuldnerberatung erheblich verbessern können, es wird das Wissen in der Presse erhöhen, die Armutsbekämpfung kann effektiver werden und vor allen Dingen kann innerhalb der Banken eine Diskussion darüber beginnen, welche Produkte und welche Absatzmethoden welche Erfolge oder Misserfolge erzielen. Schließlich geht es auch darum, die Richterschaft weiterzubilden und die Gerichte wieder zu dem zu machen, was sie einmal waren, nämlich zu Institutionen, die den Schutz des Schwächeren im Recht als vornehme Aufgabe der Gerechtigkeit ansahen. Schließlich geht es auch noch darum, eine aus den USA und England über Brüssel auf den Kontinent herüber schwappende Welle des Neoliberalismus an die Grenzen unserer Kultur zu führen, in der man meint, der freie Markt würde schlichtweg alle Probleme lösen können, wofür die Gestrandeten in Kauf zu nehmen seien.
Das iff hat ein Spendenkonto, wo Geld gesammelt werden könnte.
Postbank Kto.Nr. 584 955 200, BLZ 200 100 20 „verantwortliche Kreditvergabe“
Wir könnten damit auch die die Anbieter und Banken auffordern, sich an diesen Spenden zu beteiligen, weil es keineswegs alle Kreditgeber sind, die an dieser Überschuldungslawine wesentlich beteiligt sind. Auch Konkurrenten solcher predatory lender sollten ein Interesse daran haben, dass der Markt von Nutznießern der Not vieler Verbraucher gesäubert wird.
Allerdings kann die Spende eines Anbieters nicht dazu führen, Fälle dieses Anbieters nicht zu präsentieren. Es geht um die Sache und nicht um einzelne Institutionen und Personen. Die Spender werden, sofern sie nicht Anonymität wünschen, auf unserer Internetseite „verantwortliche Kreditvergabe“ aufgeführt.
C Wählen Sie Ihren Fall aus
Wenn Sie nicht anonym spenden wollen, dann melden Sie uns ihre Adresse bzw. e-mail,
damit wir Ihnen die von den Verbraucherberatungsstellen eingesandten geeigneten Fälle zuschicken können, unter denen Sie dann mit ihrer Spende auswählen, welchen Fall wir bearbeiten sollen.
iff@iff-hamburg.de
FAX: 49 40 309 691 22
Sie erhalten von uns die Fälle zur Auswahl, die Ergebnisse, das Gutachten und werden über den Prozessverlauf auf dem Laufenden gehalten. (Prof. Dr. Udo Reifner) |
ID: |
37583 |
Autor(en): |
Reifner, Udo |
Erscheinungsdatum: |
23.08.05 |
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iff infobrief 26/2005
Verantwortliche Kreditvergabe, Überschuldung, Musterfälle iff-Aktion
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iff infobrief 26/2005
Verantwortliche Kreditvergabe, Überschuldung, Musterfälle iff-Aktion
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Erzeugt: 13.06.06. Letzte Änderung: 13.06.06. Information zum Urheberrecht der angezeigten Inhalte kann beim Institut für Finanzdienstleistungen erfragt werden. Aus fehlenden Angaben kann kein Recht zur freien Nutzung der Inhalte abgeleitet werden. |