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Occupy Wallstreet - ein altes Konzept

Occupy Wallstreet 2011


Eine Welle von Demonstrationen zum Thema "Occupy Wallstreet" ist durch die Welt gegangen. New York, London und Frankfurt am Main als Zentren der Banken sind die Ziele. Viel Sympathie ist mit der Bewegung, in der die politischen Lager aufgelöst erscheinen. Banker gegen Bevölkerung - ist das die neue Teilung? Die ausgestreckte Zunge eines Frankfurter Bankers gegenüber dem Zeltlager der Jugendlichen scheint nicht nur die Konfrontation sondern auch die Machtlage zu bestätigen.
Wallstreet, Taunusanlage, Gracechurch Street - sie sind öffentliche Straßen, an deren Rand die Wolkenkratzer der Bankkonzerne stehen. Die Menschen, die diese Straßen besetzen, besetzen somit öffentlichen Raum. Gleichwohl werden sie dort häufig von der Polizei vertrieben, während die Wolkenkratzer am Rande stehen bleiben.
Bildlich gesprochen könnte man sagen, wir wollen unseren öffentlichen Raum zurückhaben.
Die Banken ragen zu sehr in unsere Straßen hinein. Am Rockefeller Centre gehört ihnen sogar der Bürgersteig, wie die Straßenmusikanten leidvoll erfahren müssen. Der öffentliche Raum ist gefährdet, seit allein Europäische Staaten 1 Billionen € an Garantien und über 100 Mrd. € an Zuwendungen von der Steuer abzweigen müssen, um den Hunger dieser Giganten auf Kosten der Menschen zu stillen.

Was die Demonstranten tun ist kein Hausfriedensbruch. Es ist ihre Straße und das Demonstrationsrecht hat auch dafür Straßen gebaut - nicht nur als Zufahrt zu den Wolkenkratzern.

Das zeigen die Vorläufer der Occupy Wallstreet Bewegung. Instinktiv geben uns die Menschen eine Botschaft und zwar effektiv ohne dass sie sie oft mit Worten richtig ausdrücken können. "Besetzt nicht unseren öffentlichen Raum mit euren nur noch privaten Interessen."
Das haben die Obdachlosen mit ihren Zeltstädten in LA und Washington D.C. oder Paris gesagt.

 

Army of the Unemployed: Union Square 1914


1914 hat dies auch Frank Tannenbaum gesagt,als er mit seiner "Arbeitslosenarmee" den West Broadway besetzte und dafür ins Gefängnis ging. In dem WikiKrim der Uni-Hamburg liest sich dies so

"Im besonders kalten Winter von 1913/14 hatte Tannenbaum eine neue Idee, wie man das Schicksal der Hungernden und Ausgebeuteten für die Öffentlichkeit zu einem Thema machen könnte. Den Anlass dazu hatte wohl der damalige US-Präsident Taft geliefert, als er bei einer Veranstaltung in der Cooper Union in Manhattan auf die Frage eines Arbeitslosen: "If I need a job and there aren't any - what do I do?" geantwortet hatte: "God knows - I don't."

Nun organisierte Tannenbaum sog. "sit-downs" von Arbeitslosen und Obdachlosen in Kirchen der Gutsituierten und forderten Unterkunft und Essen. So lange es sich um protestantische Kirchen handelte, verlief alles nach Plan. Mal wurde man abgewiesen, mal aber auch freundlich empfangen. So etwa in der Episcopal Church an der Lower Fifth Avenue. Die Zeitungen berichteten darüber, die Anliegen der Protestierer wurden zum öffentlichen Thema.

Am 4. März 1914 - Frank Tannenbaums 21. Geburtstag - ging es dann für die rund 200 Mitglieder von Tannenbaums "army of the unemployed" nicht mehr so glatt: erstmals hatte man sich mit der Sankt-Alphonsus-Kirche am West Broadway eine katholische Kirche ausgesucht. Die Bitte um Erlaubnis, für eine Nacht dort bleiben zu dürfen, wurde mit einem Ruf nach der Polizei beantwortet, die schließlich 189 Männer und eine Frau (Gussie Miller von der Ferrer School) festnahm. Als Anführer erhielt Tannenbaum von Richter John A.L. Campbell die Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis und 500 $ Geldbuße auferlegt. Die Buße wurde von der Ferrer Association, der Fraye Arbeter Shtime und dem Labor Defense Committee bezahlt. Aber die Freiheitsstrafe verbüßte er nahezu vollständig im Gefängnis von Blackwell's (heute: Roosevelt) Island. Zu seiner Verurteilung erklärte er, dass die Gesellschaft bereit sei, nahezu jedes Delikt zu vergeben, außer das der Verkündung eines neuen Evangeliums: "That's my crime. I was going about telling people that the jobless must be housed and fed, and for that I got locked up." Wochenlange Massendemonstrationen in Manhattan (Union Square) mit Zehntausenden von Teilnehmern demonstrierten die Wirkung von Tannenbaums gewaltfreien Propagandaaktionen. In den Worten von Alexander Berkman hatten die Wobblie-Raids mehr zur Enttarnung religiöser Heuchelei beigetragen als Jahrzehnte der Aufklärungsarbeit durch Freidenker."

 

Community Reinvestment: Wallstreet 1977


Auch 1977 erfolgte eine Besetzung der Wallstreet. Gale Cincotta führte über 2000 "Hausfrauen und Mütter", wie es damals hieß, an. Die Parolen kamen an: "Wir brauchen diese Banken nicht mehr, die nichts für das amerikanische Volk tun." Anschließend fuhren sie in die Nobelvororte von New York und spannten "rotes Band" um die Villen der Spitzenbanker. Damit macht sie deutlich, wie Banken Armutsviertel ausgrenzten, indem sie auf Stadtkarten in den Filialen diese mit einem roten Strich umkresten, damit alle Angestellten wußten, dass man dort keine Kredite udn Konten mehr hingebe. ("redlining")

Die Bewegung war auch zunächst erfolgreich. 1977 wurde in den USA der Community Reinvestment Act verabschiedet. Er verpflichtet seitdem in einem der kürzesten Gesetze der USA die Banken, jährlich darüber Rechenschaft abzulegen, was sie für die Community sozial getan haben. Banken werden damit doppelt geratet: einmal von den Ratingagenturen auf Profitabilität und zum anderen von den Bankaufsichtsbehörden nach Sozialität. Die Idee dazu kam von Gale Cincotta, einer Chicago Aktivitstin, die auf unserer Straßburger Konferenz 1998 kurz vor ihrem Tod eine Rede hielt. Gale überzeugte damals Senator Proxmire, diese Gesetzgebung einzuleiten. 
Sie hatte dies in vielen Aktionen zuerst in Chicago und dann in den ganzen USA vorbereitet. Geholfen hatten Malcom Bush vom Woodstock Institute, Alan Fishbein von den Familienorganisationen und Jonathan Brown von der Ralph Nader Verbraucherorganisation. Die Logik ist einfach: Banken sammeln das Geld von Menschen ein und leihen es wieder aus. Die Perversion des Bankgeschäfts besteht nun darin, dass Geld von Menschen nicht mehr in Menschen und Regionen zu investieren sondern für Spekulation und Akkumulation von Titeln zu benutzen. Dem trat die Community Reinvestment Bewegung mit dem Argument entgegen, dass du dort, wo du das Geld einsammelst, es auch investieren sollst. Leider hatte die Bewegung eine große Schwäche. Sie glaubte zu sehr an das Geld der Banken und deshalb sind es bis heute allein die Kreditzahlen in Armutsregionen die zählen, nicht aber die Frage, ob dieses Geld produktiv investiert wurde. So konnte Citibank mit seiner zerstörerischen Wucherkreditvergabe jahrelang ein exzellentes Sozialrating erhalten. Inzwischen sieht das auch unser amerikanischer Partner die National Coalition for Community Reinvestment.  Außerdem leidet das Gesetz an fehlenden Sanktionen. Seitdem die Bankaufsichtsbehörde nichts mehr zu genehmigen hat, kann sie Genehmigungen auch nicht mehr mit der Begründung verweigern, sie habe ein zu schlechtes Rating, wie es der First Bank of Chicago noch erging.


Fazit?


Alle Demonstranten haben etwas gemeinsam: Sie verlangen von den Banken, die unseren öffentlichen Raum besetzen, dass sie damit auch die demokratische Verantwortung übernehmen, für die wir diesen Raum bereit stellen. Ob sies bei den vielen Gipfeln allen klar ist, die jetzt allein die Banken sicherer machen wollen (Trennbankenvorschlag, erhöhtes Eigenkapital) ohne die Gesellschaft auch vor den Banken sicherer zu machen, muss bezweifelt werden. Aus der Wucherkrise (Subprime) wurde die Bankenkrise und jetzt eine Krise der Schuldner(länder). Die Sache ist dieselbe, nur die Perspektive gerät auf Abwege.



ID: 47747
Erscheinungsdatum: 25.10.11
   
 

Erzeugt: 26.10.11. Letzte Änderung: 27.10.11.
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