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Reich oder Arm - ist das die Frage? - Beiträge zur Schuldenkrise

"Die Reichen und der Rest"

 

Das Gemeinwohl verliert am Meisten

So titelt heute eine Zeitung, die dem iff die Nutzung ihrer Artikel zur Zeit gerichtlich verbieten lässt. Das bestverdienende Tausendstel aller Amerikaner steigerte sein Einkommen seit 1970 auf das Vierfache, der Rest um ein Viertel. Die unteren 90% haben überhaupt nichts dazu verdient. Ihr Jahreseinkommen stagniert bei 31.244 Dollar, während man ganz oben 5,6 Mio Dollar im Jahr nach Hause trägt. Das hat politische Auswirkungen. Obama punktet bei 70% der Amerikaner mit dem Vorschlag einer Reichensteuer.

In Deutschland haben wir ähnliche Strukturen. Seit 1994 sind es gerade einmal 2% realer Hinzuverdienst bei den Niedrigverdienern, während die Spitzenverdiener 16% hinzugewonnen haben. 50% der Bevölkerung kommen mit weniger als 833€ im Monat aus, während der Rest über 2.000€ verdient und die obersten 10% 11.000€ nach Hause tragen. Der beliebte Vergleich des oberen und unteren Fünftels der Bevölkerung erbringt für Deutschland das 3,5fache, in Skandinavien aber nur einen Wert unter 3, dafür aber in den armen Krisenstaaten Griechenland, Portugal und Spanien einen Wert, der zwischen dem 5 und 7fachen liegt. Die SPD bekennt sich öffentlichkeitswirksam ebenfalls zu Obamas Reichensteuer, profiliert sich zugleich aber als Sparpartei für die öffentlichen Ausgaben und unterstützt den Rettungsfonds für private Banken, in den das Meiste des Gesparten wieder abfließt.

Die Bundeskanzlerin will den Wähler ansprechen und den Staat schonen. Er dürfe die Finanzkrise nicht allein schultern sondern müsse ihre Urheber, die Banken, zur Kasse bitten. So bankenfeindlich wie das klingt ist es nicht, trifft es doch die französischen Banken vier mal so hart wie die deutschen und jkönnte ihnen damit einiges von dem zurückgewinne, was sie in der Krise an die solideren französischen Banken verloren haben. Aber es kommt noch schlimmer. Der Löwenanteil der Griechenland-Schulden von ca. 17 Mrd. € ist inzwischen über die HRE bei deren Bad Bank gelandet. Die aber gehört dem Staat. Die private Beteiligung ist also auch eine verschleierte Staatsbeteiligung und das im Wettlauf deutscher und französischer Banken.

Recht auf den vollen Arbeitsertrag?

Uns schwirren die Köpfe. 1 Bio Staatsbürgschaften direkt und in Brüssel, zig Milliarden Subventionen - wer soll das noch alles bezahlen? 

Wir werden zur Zeit gerade von den Wohlmeinenden wieder auf einen Pfad zurückgeführt, der vor 150 Jahren bereits ausgetrampelt war. "Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag in geschichtlicher Darstellung", überschrieb Anton Menger seine Schrift für die Sozialdemokraten und Ferdinand Lasalle sekundierte mit dem "unverkürzten Arbeitsertrag". Anders als heute kam die Kritik dazu von Links, wie sie Marx in der Kritik des Gothaer Programms formuliert: Der Arbeiter dürfe nicht alles auffressen, was er produziert habe. Die Gemeinschaft brauche das Meiste für die Erhaltung der Maschinen, Straßen, Verteidigung, Kinder und Alte: "Erstens: Deckung zum Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel. Zweitens: zusätzlicher Teil für Ausdehnung der Produktion. Drittens: Reserve- oder Assekuranzfonds gegen Mißfälle, Störungen durch Naturereignisse etc." dann noch "der andere Teil des Gesamtprodukts, bestimmt, als Konsumtionsmittel zu dienen. Bevor es zur individuellen Teilung kommt, geht hiervon wieder ab: Erstens: die allgemeine, nicht direkt zur Produktion gehörigen Verwaltungskosten. Zweitens: was zur gemeinschaftlichen Befriedigung von Bedürfnissen bestimmt ist, wie Schulen, Gesundheitsvorrichtungen etc. Drittens: Fonds für Arbeitsunfähige etc., kurz, für, was heute zur sog. offiziellen Armenpflege gehört"

Die Presse, die 10 Jahre lang gepredigt hat, dass die extremen Erfolgsprovisionen als Anreizsystem und Motor unserer Wirtschaft uns insgesamt mehr nach vorne bringen als eine "gerechte" Verteilung, plädiert jetzt für Verteilungsgerechtigkeit, nicht von ungefähr während die FDP von 16% auf 1% herunterrutscht. Den Reichen nehmen, den Armen geben. Das neue uralte Konzept des "Geld haben" unterscheidet nur in der Frage, wer es haben soll. "Geld nutzen", wie wir es zum Motto des iff gemacht haben, ist dann keine Alternative mehr weil das Mehr an Geld in anderer Verteilung die Lösung ist.

"Geld nutzen nicht Geld haben"

Das Argument, wenn wir die Reichen nur machen lassen, geht es auch den Armen besser, das sich 150 Jahre kaum widerlegen ließ, verliert an Zukunftsperspektive. Was früher an die Arbeiter verteilt wurde musste nicht von den Armen genommen werden, weil man extreme Produktivitätszuwächse aber vor allem auch noch Ärmere in der Dritten Welt oder in abhängigen Staaten hatte. Die 700% Rendite der Kautschuk-Industrie in Belgisch Kongo um 1900 sind nur eines der wenigen historisch gut belegten Beispiele. Die haitianischen Blutbanken oder die chinesischen und indischen Hungerlöhne wären andere. Doch damit dürfte bald Schluss sein. Chinesen und Inder werden zu Gläubigernationen, Afrikaner nehmen keinen Giftmüll mehr und die Geldgier unserer Atom- und Autoindustrie, die die Milliarden für Forschung zur Sicherheit und Umweltschutz eingespart hatten, lastet auf unseren öffentlichen Energiebudgets der Zukunft. Es wird weniger zu verteilen geben, so dass der Zuwachs der Reichen sich nicht mehr aus dem schrumpfenden Gesamtzuwachs der Erträge finanziert. (Der Produktivitätszuwachs der Wirtschaft sank von 120% vor 1980 auf 80% danach und wird wegen des Preiswettbewerbs um Rohstoffe und Fertigprodukte mit weiter sinken).. Es geht ans Eingemachjte. Die eigenen Armen müssen jetzt die Zuwächse der Reichen bezahlen. Dabei geht es gar nicht um Traumrenditen. Der Reiche erhält mehr, allein weil er mehr hat. 2% auf 100€ sind 2€, auf 1 Mio € sind 20.000€. Jede Werteinheit modernen Besitzes hat das Recht zu verdienen und eben nicht jeder Mensch.

Nach der Dritten Welt jetzt der eigene Staat

Um sich nicht gleich in die explosiven sozialen Auseinandersetzungen um Lohn und Brot zu begeben, (für die die Jugendlichen in Paris, Madrid und Athen einen Vorgeschmack geben), wird zunächst der Staat zur Kasse gebeten, der nach Senkung aller Zukunftinvestitionen der Gemeinschaft nur noch den Armen nehmen (Hartz IV, Studiengebühren, KITA-Beiträge, Rentenkürzung, Gesundheitsreform) kann, um den für das Gemeinwohl so wichtigen Reichen den gleichen Zins auf gleiches Geld erhalten zu können. Dagegen kann man ankämpfen und damit Stimmen fangen, solange das Stimmrecht der Armen noch nicht an ihr Einkommen gekoppelt ist.

Doch wer sagt es seinen Kindern? Die Armen fressen ihr Geld doch auf. Fürs Gemeinwohl bleibt nichts, wenn sie einen neuen Fernseher, ein teures Auto und Wegwerflebensmittel für den Lohnzuwachs erwerben. Das Argument, je mehr man konsumiere, desto reicher werde doch die Gesellschaft, weil die Wirtschaft "angekurbelt" würde, gilt, wenn es nicht überhaupt pervers wäre, doch viel mehr für die Reichen. Ihre Ausgaben für Yachten, Porsches, Ferienhäuser und Privatzoos sind ganze Konjunkturprogramme, den die Konsum eines Problemquartiers leicht in den Schatten stellen und zudem noch dazu beitragen, hochqualifizierte Prozesse zu belohnen.

Reichtum zahlt sich für alle aus

Nein, die Reichen investieren doch vor allem in Arbeitsplätze, Maschinen, Produktion, Export und die Aquisition von fremden Kapital über London und Frankfurt. Ihr Konsum ist unbedeutend im Verhältnis zu dem, was sie reinvestieren. Kennen wir nicht Bill Gates mit seinen 60 Mrd $ "Aktienwert" (was immer das wäre, wenn es in Währung umgetauscht würde) als Wohltäter in Afrika, als Aidsbekämpfer, der jetzt noch Warren Buffet (50 Mrd. $) mit ins Boot geholt hat? Hat nicht der Finanzspekulant Soros sich als großzügiger Bildungsinvestor im Osten erwiesen und prangen nicht sogar die Namen des Hamburger Baulöwen Grewe und seiner Ehefrau am Hauptgebäude der Universität? Sie fressen ihr Geld offensichtlich nicht auf sondern geben es für das Gemeinwohl aus und zwar oft für den Teil, den man den Regierungen mit dem Argument der "Schuldenbremse" und des "Steuerabbaus" entzog, den wir aber schmerzlich vermissen. Unsere Superreichen werden hofiert, bekommen Ehrendoktorwürden und Preise. Umso reicher, umso philantropischer. Reinhard Mohn von Bertelsmann mit seiner gemeinnützigen Forschungsstiftung dürfte der wichtigste Regierungsberater der letzten 50 Jahre gewesen sein. In der Tat - wer die UNO wie der CNN- Gründer Ted Turner wegen einer philantropischen Liaison mit Jane Fonda mit Milliarden vor dem Kollaps retten kann, den sollten wir doch nicht schröpfen.

Geld ist nicht Geld

Wir lernen, dass Geld nicht gleich Geld ist. Es kommt darauf an, wer wie viel davon hat. Geld ist nur der Ausdruck für eine Möglichkeit. Welche Möglichkeiten wir damit realisieren, hängt von den Bedürfnissen ab. Maslow hat vor 70 Jahren schon darauf hingewiesen, dass das Geld zum Stillen von Hunger und das zum Erwerb von Luxusautos nicht demselben Quintel des Einkommens angehört, das somit unterschiedlich verzichtbar ist. Man kann das in Notzeiten beobachten kann. Nach dem zweiten Weltkrieg arbeiteten die Menschen, denen alles genommen war,  kollektiv ihre Bedürfnispyramide ab mit der Ess-, Fress-, Edelfress-, Auto-, Reise-, Kommunikationswelle, der wahrscheinlich eine Wohneigentums- und Ferienhaus- und dann vielleicht eine vom schlechten Gewissen diktierte Philantropiewelle folgen würde, wenn man uns denn ließe und es nicht wieder abwärts geht. Mit den ersten 1.000 € Monatsverdienst erhält man sich am Leben, mit den zweiten kann mein schon an Kinder und Familie denken, mit den Dritten erhalten Mobilität und Kommunikation eine Chance und es beginnt die Bildung, mit den vierten steigt man entweder zum Kulturwesen auf oder aber versinkt in den Tiefen der Konsumwelten.

Neidkomplex und lohnende Leistung gilt nicht für alle

Wenn man die kleinen afrikanischen Waisenkinder mit Blumen vor den Finanzmagnaten unserer Welt stehen sieht, dann kann doch nicht verborgen bleiben, dass wir solche Bilder früher vor allem von Diktatoren aller Schattierung kannten. Bei den Superreichen geht es nicht mehr um Geld sondern um Macht. Keiner von ihnen glaubt mehr an das Geld. Wer 50 Mio € Vermögen sein eigen nennt, der isst nicht mehr und wohnt nicht mehr als die anderen sondern der erwirbt "Möglichkeiten" in dieser Gesellschaft, die mit Konsum nichts mehr zu tun haben.

Deshalb sollten wir vernünftig werden und den Unsinn von der Lösung des Armutsproblems durch Reichwerden absehen und lieber fragen, was man mit einem Geldbetrag, den man zur Verfügung hat, alles machen können soll. Reichtum hat für die meisten in der Gesellschaft zwei ganz andere Funktionen: gesteigerter individueller Konsum und Ansehen für die 40%, die die obere Einkommenhälfte der Gesellschaft bestimmen, und die Macht derjenigen, die die obersten 10% repräsentieren.

Wir können und sollten uns daher mit denen um die Verteilung streiten, die vier mal so viel essen, verschwenden und konsumieren wollen wie der Rest der Gesellschaft. Eine Steuer für die Supperreichen macht da keinen Sinn. Vielmehr muss die Progression erhöht und die Mehrwertsteuer nach der Bedürfnisskala diversifiziert werden, wie es etwa die skandinavischen Länder beim PKW vorleben. Bei dieser Umverteilung gelten dann aber auch die Argumente, dass sich Leistung lohnen soll, dass Geld ein Anreizsystem schafft und die Produktivität der Menschen sehr unterschiedlich ist. Es gilt auch, dass mancher Konsum nur dort Luxus ist, wo man ihn nicht braucht, aber die Bibliothek des Wissenschaftlers oder das Ferienhaus des Managers mit seiner Arbeitskraft durchaus uns allen nützt. Schließlich sind die Fehlentscheidungen eines Managers verheerender als der Ausfall eines Bandarbeiters. Aber es ist auch richtig, dass die Ekelgefühle beim Boom von Luxusgütern angesichts der anstehenden Probleme unserer Gesellschaft und der fehlenden Mittel, das untere Drittel der Bevölkerung in Arbeit zu bekommen, wächst. Wir dürfen durchaus auch einmal geistig vor dem Youpie ausspucken, der mit dem von Papa geschenkten Porsche im Halteverbot der Innenstandt steht und diesen Vater auch zum Wohle seiner Kinder stärker besteuern. Hier hat Reichensteuer ihren Sinn.

Nicht Geld sondern Macht ist die Frage

Bei den obersten 10% (die sich hinter institutionellem Reichtum verstecken) aber geht es um Macht. Soll Bill Gates die Weltgesundheitspolitik nach den Vorstellungen eines Laien aus Oregon bestimmen oder soll er lieber die Lizenzgebühren für Windows in Afrika senken? Soll Soros uns erklären, wie man seinesgleichen das Handwerk legt und Gemeinwohl erzeugt? Wollen wir ganze Landstriche in privater Verwaltung, nur weil die Reichen ihr Geld anlegen und etwas davon haben müssen?

Eigentum ist nicht verwerflich aber es verpflichtet. Geld ist nur eine Bedingung, um die Ressourcen auf unserem Planeten nutzen zu dürfen. Welche Nutzung wir damit wollen und welche Nutzungen einer demokratischen Entscheidung bedürfen, das legt unser Recht fest. Dort heißt es in Art. 14 Grundgesetz: "Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". (Das gilt auch für die Verwertungsrechte der Pressekonzerne, die den Redaktionen die Verbreitung von Nachrichten untersagen, weil sie nur noch verdienen wollen.)

Bankenrettung heißt politische Verantwortung übernehmen

Wenn wir also die Banken retten, dann geht es nicht um Reichtum und Armut sondern um politische Macht, weil dadurch dem Staat die finanzielle Basis seiner Entscheidungen entzogen wird. Ob das mit Geld überhaupt alternativlos ist, daran kann man zweifeln. Überschuldete Banken, deren fiktiver Reichtum berichtigt wurde, sind ja nur dann ein Problem, wenn sie nicht mehr für die Realwirtschaft funktionieren. Das konnte man bisher kaum beobachten. Auch wenn dies am staatlichen Eingreifen lag, (was ich bezweifele) so kann man es doch nachhaltiger und billiger gestalten. Der Staat kann abgewirtschaftete Unternehmen funktionsfähig erhalten. Das haben die Konkurse von AEG, Grundig oder der Kohle- und Stahlkonzerne gezeigt. Gläubigerschutz ist hier die Formel. Allerdings können diese Unternehmen (so wie ihre Manager) dann, wenn sie schon nur noch mit staatlichem Vollstreckungsschutz funktionieren, nicht mehr ihre Macht behalten. Macht setzt Vertrauen voraus und wo das Vertrauen aufgebraucht ist, muss sie genommen werden. Das gilt auch für die Banken. Deshalb müssen Regeln geschaffen werden, die Kredite produktiv gestalten, Institutionen wirksam werden, die dafür sorgen, dass Banken wieder die Funktion zurückgewinnen, Sparen und Kredit kollektiv zusammenzuführen, um die kooperativen Kräfte zum allgemeinen Nutzen zu stärken. (Udo Reifner)


 



ID: 47717
Autor(en): UR
Erscheinungsdatum: 10.10.11
   
URL(s):

http://www.sueddeutsche.de/politik/usa-in-der-krise-amerikas-reiche-und-der-grosse-rest-1.1158060

Das Oberschichtenproblem (SZ)
 

Erzeugt: 10.10.11. Letzte Änderung: 12.10.11.
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