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Bundeswettbewerb Finanzen - Bundesbildungsministerium und Allianzkonzern öffnen die Schultore von außen


Wir hatten auf dieser Seite bereits den Einfall der Investmentfonds in die Schule kritisch kommentiert, wobei nachzutragen wäre, dass wir nicht die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft sondern das selbständige Auftreten der Wirtschaft in der Schule problematisch finden. Auch mit dem MyFinanzCoach des Allianzkonzerns hatten wir uns befasst. Jetzt bekommt das Ganze noch eine neue Qualität, weil dieses Projekt gleich zusammen mit dem Bundesbildungsministerium in die Schulpolitik der Länder einbricht.

Bundeswettbewerb Finanzen 2011

Bundeswettbewerb Finanzen 2011 heißt es unter http://www.bundeswettbewerbfinanzen.de/. 100 € bekommt jede Schulklasse wie eine Banane für die Affen im Zirkus für ein Kunststück, wenn sie nach einem Konzept, das man bei der vom Allianzkonzern und McKinsey aufgebauten Kampagne bei www.myfinanzcoach.de präzisiert findet, ein Video oder eine PowerPoint-Präsentation erstellen und einreichen, um dann, mit 250 € geködert, eine Freifahrt nach Berlin zu gewinnen und für Frau Schavan und die Presse auf den Laufsteg zu gehen. Kinder in der 5. und 6. Klasse sollen zeigen, wie sie sparsam "kaufen", Schüler in Klasse 7-10 sollen wohl nach dem Allianzkonzept "planen". Das Ganze heißt dann "finanzielle Allgemeinbildung".

Finanzielle Allgemeinbildung?

Was haben die o. g. Initiativen mit dem zu tun, was seit einigen Jahren unter dem Stichwort finanzielle Allgemeinbildung wissenschaftlich und praktisch diskutiert wird (vgl. den Überblick bei Retzmann (Hrsgb.))? Immerhin gibt es inzwischen international gehaltvolle Diskussionen, die die ökonomische Bildung, um die attraktive finanzielle Allgemeinbildung erweitert zwischen Anpassung an den Markt und Marktsteuerung, zwischen bedürfnisorientiertem Lernen und den Bedürfnissen der Wirtschaft, zwischen Verbraucherschutz und Kundentraining, zwischen kritischer Bildung und Glaube an das Geld hin einordnen. Einig ist man sich auch immer noch, dass Bildung eine hohe Kompetenz verlangt, dass der mündige Bürger den mündigen Verbraucher braucht, dass die Finanzindustrie kein Lehrmeister der Nation sein sollte, und dass an der letzten Finanzkrise nicht die Schulkinder Schuld waren. Diesen Bezug scheinen weder Frau Schavan noch der Allianzkonzern und McKinsey zu erkennen. Sie setzen sich auch leichtfüßig über die Bildungshoheit der Länder hinweg, wenn sie sich in die Schulpolitik einmischen und mit 100 €-Scheinen (für jede teilnehmende Klasse) die Kinder aus der Schule in die Wirtschaft locken wollen.

Hoffentlich Allianz versichert (in der Schule)

Inhaltlich sind die Konzepte, die My Finance Coach und dem Bundeswettbewerb zu Grunde liegen, unausgegoren und spiegeln einen überholten Stand, als man noch mit erhobenem Zeigefinger die Menschen an den Markt anpassen wollte, wider. Auf den Inhalt sollte man getrennt eingehen, weil täglich neue Konzepte auf den Markt geworfen werden, die sich die billige Möglichkeit der Imagewerbung zu Nutze machen wollen. Gerade der Allianzkonzern, der mit seinen inzwischen vom Staatszuschuss befreiten und tendenziell damit unverkäuflich gewordenen Lebensversicherungspolicen die Verbraucher zu Hause überrumpelte, eine Stornorate von über 50 % bei diesen Verträgen produzierte und die ursprünglich gezahlten Abschlussprämien einbehielt, sollte wissen, dass finanzielle Allgemeinbildung nichts mit Kaufrausch (Inhalt Klasse 5 - 6) zu tun hat und Planungsfehler (Inhalt Klasse 7-10) nicht die Ursache für verschleierte Renditen und kick-back-Provisionen der Anbieter sein können, die aber die Verbraucher belasten.

Kinder müssen Konsum und Planung lernen. Das tun sie auch in Ernährungskunde, Gesellschaftskunde und selbst im Religionsunterricht bzw. in den Naturwissenschaften und bei der Klassenfahrt oder dem Schulfest. Dazu brauchen sie weder My Finance Coach in der Schule noch den von Frau Schavan empfohlenen Bundeswettbewerb Finanzen.

Frau Schavan könnte sich auch im eigenen Haus informieren, statt die Allianz und Ihre Mitarbeiter in die Schule zu schleusen. In ihrem Ministerium laufen Projekte, die die Gründe erforschen, warum die ökonomische Bildung für Erwachsene bis heute noch ein Schattendasein hat. Daraus würdensich viele Fragen und Erkenntnisse ableiten lassen, was finanzielle Allgemeinbildung ist und leisten könnte.

Demokratische Distanz zwischen Politik und Geld erforderlich

Nachdem Frau Aigner von der CSU Lehrstühle in CSU Fakultäten stiftet, wo Herr zu Guttenberg spendete und promovierte, Herr Westerwelle mit den Hoteliers auf Wahlkampf ging, die Bundeskanzlerin Herrn Ackermann ihre Räumlichkeiten für die Geburtstagsfeier überließ, scheint es kaum noch aufzufallen, wenn die Bundesbildungsministerin etwas für die bisher vernachlässigte Versicherungsbranche tut. Die Sesam-Öffne-Dich-Zauberwörter heißen: "Finanzielle Allgemeinbildung" oder „Jugendverschuldung“.

Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Die Wirtschaft ist dringend eingeladen, sich für unsere Kinder und Jugendlichen zu engagieren. Hier gibt es tolle Projekte wie Schülerunternehmen, Praktika, Jugend forscht, Patenschaften oder auch Engagement für benachteiligte Schüler in Hauptschulen. Auch finanzielle Unterstützung ist wichtig. Wenn Finanzkonzerne dagegen die Situationen der mehr und mehr verarmenden Schulen dazu missbrauchen, um ihr Image aufzupolieren und ihre Werbebotschaften und Ideologien in die Schule zu tragen, sowie um damit die geschäftliche Unerfahrenheit der Schüler auszunutzen, dann müssen nicht nur die Schulbehörden der Länder als Wahrer des Werbeverbots in den Schulen sondern auch jeder ehrbare Kaufmann und jede ehrbare Kauffrau aufhorchen.

 



ID: 47029
Erscheinungsdatum: 25.04.11
   
 

Erzeugt: 04.05.11. Letzte Änderung: 04.05.11.
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